Wenn ich in aller Kürze in den Sinn der Gegenüberstellung
einführen soll, die ich in dem Titel dieses Buches zum Aus-
druck gebracht habe, so darf ich vielleicht die scherzhafte
Äußerung eines Engländers zitieren, der einmal gesagt hat, es gäbe
drei Arten von Lügen: erstens die Notlüge, die entschuldbar
sei, zweitens die gemeine Lüge, für die keine Entschuldigung
gelten könne, und drittens die Statistik. Es besagt ungefähr
dasselbe, wenn wir gesprächsweise bemerken, mit Zahlen lasse
sich „alles beweisen‘ oder, in Abänderung eines bekannten Goethe-
wortes, mit Zahlen lasse sich „trefflich streiten, mit Zahlen ein
System bereiten‘. Dem allen liegt die Auffassung zugrunde, daß
Schlüsse, die auf statistischen Überlegungen oder auf Wahr-
scheinlichkeitsrechnung aufgebaut werden, zumindest sehr un-
sicher, wenn nicht geradezu unbrauchbar sind. Ich will gewiß
nicht bestreiten, daß vieles Unsinnige und Unhaltbare unter dem
Deckmantel der Statistik auftritt, Aber es ist das Ziel, das
ich meinen Ausführungen stecke, hier zu zeigen, daß man sehr
wohl, von statistischen Feststellungen ausgehend, über einen
geläuterten und entsprechend präzisierten Wahrscheinlichkeits-
begriff, zu Erkenntnissen und Behauptungen gelangen kann, die
es an „Wahrheitsgehalt‘“ und Zuverlässigkeit sowie an prakti-
scher Brauchbarkeit mit den Ergebnissen jedes Zweiges der
exakten Naturwissenschaft aufnehmen können, Ich muß dazu
freilich bitten, mir auf einem langen und gewiß nicht mühelosen
Wege zu folgen, der uns über manche, zunächst vielleicht über-
flüssig scheinende, vorbereitende Gedankengänge zu unserm
Ziele führen wird.
„Unsere ganze Philosophie ist Berichtigung des Sprach-
gebrauchs‘, sagt einmal Lichtenberg; wieviel Streit und wieviel
Mises, Wahrscheinlichkeit