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ich als Nichtparteimensch seit 9 Jahren kämpfe, sich gegenüber den pri-
vaten Erwerbswünschen und Eigengewinn-Absichten der Trusts, Groß.
industrie, Großlinanz, Großkaufmannschaft, der Interessen-Verbände
— durchsetzt, wenn nicht der Staat seine Pflicht erfüllt, die wirtschaft.
lich Schwachen gegenüber den Starken zu schützen, dann verzehrt sich
nutzlos die beste Substanz im deutschen Volks-(Demos-)körper, nämlich
der individualistische Trieb zum .Emporkommen. Das Schicksal
Deutschlands ist geradezu tragisch, weil durch seine eigene Schuld so
viel tüchtige Volkskräfte nicht emporkommen können.
Dieses Land mit 63 Millionen Einwohnern, mit einer in anderen
Ländern kaum erreichten Quanlität qualitativ tüchtiger Durchschnitts-
menschen und Spezialisten entbehrt in ‚einem: Maße wie kaum ein
anderes Land der Führer, der Anerkennung von wirklichen Führer
qualitäten und des Glaubens an die Fähigkeiten Anderer. Nirgends in
England, Frankreich und Amerika vergiftet die politische ‚und wirt-
schaftliche Interessensphäre so sehr den gemeinsamen Gesichtskreis
des Demos, des Vaterlandes. Ich. muß diese Betrachtung‘. in dieser
unpolitischen Zeitschrift einfügen, ja geradezu Vvoranstellen, weil
Deutschland aus dem Wirrwar der Vergangenheit nicht herauskomml
und bei dem Wiederaufbau Europas sehr schlecht wegkommt, wenn
nicht in Politik und Wirtschaftsleben die vereinigenden statt der
trennenden Gesichtspunkte viel mehr an die Spitze gestellt werden.
Die Lösung dieser Frage bedeutet Kredite oder Kreditlosigkeit, Auf-
stieg oder weitere Stagnation, Der Wiederaufbau Europas wird nicht
nur für Jahrzehnte verzögert, sondern vielleicht unwiderbringlich zum
Vorteile Asiens und Nordamerikas verhindert; wenn im Zentrum
uropas Götzen- und Idoldienst nicht verschwinden und dem Com-
mon Sense der Selbstbestimmung einer großen Nation Platz machen.
Führernaturen entstehen nicht von heute auf morgen; dazu bedarf es
der reifenden Zeit und Entwicklung.
Der wilhelminische Geist der Diktatur und Höflingsschmeicheleien
ist stark in die deutsche Wirtschaft und ihre Führer übergegangen.
Welche Untergebenen durfien in der deutschen Industrie ihren General-
direktoren gegenüber offen ihre Auffassungen darlegen, ohne für ihre
Stellung befürchten zu müssen? Seitdem hat sich unter dem Druck
„Neuer Zeiten“ allerdings manches gewandelt, aber das amerikanische
Prinzip, daß die Angestellten und Arbeiter auch innerlich mit dem
Werke, in dem: sie arbeiten, verbunden sind, sollte noch viel weiter
ausgedehnt werden.
Was ist uns in Deutschland geblieben? Walther Rathenau gab
hierauf die richtige Antwort: „Was uns bleibt, ist das Eine: unsere Arbeits-
kraft. Nichts anderes haben wir, nichts anderes ist steigerungsfähig, zwar
nicht nach Menschenzahl und Stunden, wohl aber, und das bitte ich Sie,
sich einzuprägen und durchzudenken, dem Wirkungsgrad nach. Das ist der
Punkt, um den sich unsere ganze gegenwärtige und zukünftige Wirtschaft in
Deutschland dreht, der Wirkungsgrad unserer Arbeit.‘
‚Die wichtigste Aufgabe der Bevölkerungspolitik ist Stützung, vor
Talenten, die Heranbildung von Führern und die Neubildung eines ge