I. Die Besonderheiten des deutschen Kapitalbedarfs. 75
schaftlich zurückgebliebenen Ländern, Kolonialländern
und dergleichen, ist sehr irreführend. Das habe ich schon
1924 in meiner Schrift „Vom Reichtum der Nationen“
(S. 48) ausgeführt, und derselbe Gedanke ist drei Jahre
später auch vom Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht
in einer Broschüre „Eigene oder geborgte Wäh-
rung?“, Leipzig 1927 (S. 4) ausgesprochen worden. Daß
er von anderen bestritten wird, hängt damit zusammen,
daß die heutige materialistische Wirtschaftsauffassung
unter „Kapital im volkswirtschaftlichen Sinne“ nur
Sachkapital, Produktionsmittel sicht und in dem Be-
streben, die Gelderscheinungen auszuschalten und die
wirtschaftlichen Vorgänge als Produktion und „Vertei-
lung“ von Gütermengen aufzufassen, die Bedeutung des
Geldkapitals ignoriert.
Wirtschaftlich noch unentwickelte Länder brauchen
Sachkapital, Produktionsmittel, müssen sie aus dem
Auslande einführen und brauchen dazu ausländisches
Geldkapital. Da in solchen Ländern die Rentabilitäts-
aussichten groß zu sein pflegen, können sie auch rela-
tiv hohe Zinsen bezahlen. Eine Umwandlung in in-
ländische Währung findet dann unter Umständen gar
nicht oder nur teilweise statt, der größte Teil des Kre-
dits oder der Aktienbeteiligung geht für Maschinen oder
dergleichen alsbald wieder ins Ausland. Wenn aber auch
ein Teil des Kredits in inländische Währung umgewan-
delt wird und daher preissteigernd wirkt, sind doch in
solchen Ländern die meisten Preise und Löhne relativ
niedrig. Die Preissteigerung beeinträchtigt also nicht
wesentlich die hohe zu erwartende Rentabilität,
Ganz anders in einem industriell hochentwickelten
Lande unter den Verhältnissen Deutschlands. Hier ist
Sachkapital genügend vorhanden, der Produktions-
apparat vielfach sogar zu ausgedehnt und kann nicht
voll ausgenutzt werden. Hier braucht man ausländisches
Kapital_ allenfalls zur Beschaffung ausländischer-Roh-=-
stoffe, Das of “aber Kurzfristiger Kredit, was von