78 6. Kapitel. Die Arten der Beschaffung und Verwendung.
gefreten, daß eine leichtsinnige kurzfristige Verschul-
dung, namentlich seitens der öffentlichen Körper-
schaften, bei der schwierigen Wirtschaftslage Deutsch-
lands nicht nur für die Beteilisten, sondern auch für
die ganze Volkswirtschaft sehr gefährlich werden kann!.
Mit welchem Leichtsinn von den öffentlichen Körper-
schaften, vom Reich angefangen bis zu zahlreichen Kom-
munen, vorgegangen wurde, ist bekannt, und es ist viel
zu spät dagegen eingeschritten worden. Die obigen
Zahlen zeigen, daß gerade in den beiden letzten Jahren,
als sich die Wirtschaftslage Deutschlands schon sehr ver-
schlechterte, bei den kurzfristigen Auslandsschulden
noch die größte Vermehrung vorgenommen wurde.
Aber die Gefahren langfristiger Auslandsverschul-
dung sind nicht geringer. Sie zeigen sich nur nicht so
bald und nicht so plötzlich, und da man heute bei den
öffentlichen Wirtschaften von der Hand in den Mund
zu leben und nur für den Augenblick zu sorgen pflegt,
hat man sie vernachlässigt.
Vor allem kann man bei der Frage, ob kurzfristige
oder langfristige Auslandsverschuldung vorzuziehen ist,
den jeweiligen Zweck nicht ausschalten. Eine kurz-
fristige Kreditaufnahme zur Bezahlung notwendiger
Rohstoffimporte ist bei der Ausdehnung des heutigen
Kreditwesens eine durchaus normale Erscheinung. Sie
bedeutet auch gar keinen Kapitalimport, ebensowenig
wie ein bloßer Stundungskredit schon eine Kapitalinan-
1 Vor den volkswirtschaftlich ungünstigen Wirkungen einer
sich auf große Summen belaufenden Kapitaleinfuhr unter den
besonderen Verhältnissen, die heute für die deutsche Volks-
wirtschaft obwalten, habe ich seit 1924 wiederholt gewarnf.
Welche ungünstigen Folgen sich aus der Hereinnahme
mehrerer Milliarden RM. Auslandskapital für Deutschland
in den letzten Jahren ergeben haben, hat auch Prof. Ernst
Schultze in verschiedenen Kapiteln seines Buches „Tribut-
zahlung und Ausfuhrkraft“ (Weltwirtschaftliche Vorträge und
Abhandlungen Heft 2, Leipzig 1929) dargetan.