Vergesellschaftung und Gesellschaft. a 249
bedeutungsgemäßen Glauben gewinnt, und daß sowohl durch ein „Ur-
teil“ als auch durch eine „Lüge‘ im Behauptungs-Adressaten ein Ur-
teil-Glauben und ein bedeutungsgemäßer Glaube geweckt werden
kann. So kann denn auch ein Ansprucherheber sowohl durch ‚Urteile‘
als auch durch „Lügen‘ darauf zielen, daß der Anspruch-Adressat zwei-
fachen Urteil-Glauben und zweifachen bedeutungsgemäßen Glauben
and schließlich eine erfüllendes Verhalten bedingende zuständliche Be-
stimmtheit gewinnt, und der Anspruch-A.dressat kann solches Seelisches
gewinnen, gleichgültig, ob der. Ansprucherheber „geurteilt‘“ oder ‚ge-
logen‘‘ hat.
Die Meinung, daß die Anspruchsätze keine Behauptungssätze, ins-
besondere keine Urteilsätze sind, eine Meinung, die mehrere Wurzeln
hat, hängt aber offenbar auch damit zusammen, daß meist „Denken“
und „Urteilen“ verwechselt werden, Meint man nämlich, daß „Ur-
teilen“ ein „Denken“ ist, so muß man, da „Denken‘“ eine seelische
Bestimmtheit ist, hingegen „Anspruch erheben‘“ (‚‚bitten“‘, „fragen‘“‘,
„befehlen‘“ usw.) ein tätiges Wirken ist, mit welchem auf Verände-
rung anderer Seele gezielt wird, allerdings zu der Meinung gelangen,
daß ‚Anspruch‘ kein „Urteil‘“ ist, da es sich bei „Anspruch‘“ nicht
um „Wahrheit“, sondern um „Wirkung an anderer Seele‘ handelt. In
Wahrheit aber ist eben „Urteilen“ auch ein tätiges Wirken, mit welchem
auf Veränderung anderer Seele gezielt wird, und zwar derart, daß,
wenngleich vielleicht nicht immer, so doch meist, der bedeutungsgemäße
Glaube, welchen die andere Seele gewinnen wird, vom Urteilenden nur
als Mittel für weitere Veränderungen der anderen Seele, wie Gewinn
besonderer zuständlicher Bestimmtheit oder besonderen emotionalen
Seelenaugenblickes, gedacht ist. Das „Anspruch erheben“ ist somit nur
ein besonderes, und zwar zweifaches „Urteilen“ als tätiges Wirken,
wobei die „Urteile“ — häufig aber auch „Lügen‘“ — eben als Mittel
zu besonderem Verhalten des Anderen gedacht sind. Nicht nur im
‚Anspruch erheben‘‘ also, sondern auch im „Urteilen‘“ und „Lügen‘‘
Wirken wir tätig, um andere Seele zu verändern, und „Anspruch
arheben‘‘ ist nur besonderes „Behauptungssätze bilden‘.
Die Ansicht nun, daß die Anspruchsätze ‚‚Behauptungssätze‘“
Aussagesätze‘‘) sind, wurde bereits vertreten, entweder als Meinung,
daß ein Anspruch eine Aussage über einen eigenen Wunsch oder gar
über das eigene „Anspruch erheben‘‘ darstellt, oder als Meinung, daß
ein Anspruch nur eine Aussage über ein „Ander-Soll‘“ darstellt. Keine
dieser Meinungen war aber haltbar, und zwar deshalb, weil übersehen
wurde, daß mit jedem Anspruche zwei verschiedene Gedanken be-
deutet werden, jeder Anspruch also entweder eine zweifache Be-
hauptung oder zwei Behauptungen darstellt. Sagte man nämlich, daß
etwa ein Befehlsatz‘““ eine Aussage über einen dem Aussagenden zu-