7 Die Macht.
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muß aber dem Worte „Pflicht“ sein ursprünglicher Sinn wiedergegeben
werden, der nur dadurch verdunkelt wurde, daß man die „Sittlichkeit“
auf „Pflicht“ gründen wollte und schließlich das Wort „Pflicht“ über-
haupt oder vorwiegend als „sittliche Pflicht“ las. Kommt das Wort
„Pflicht“ vom Worte „pflegen“ im Sinne von „die Sitte haben“, be-
zeichnet dieses Wort ursprünglich die „Gepflogenheit“, also die „Ge-
wohnheit“ und „Sitte“, so war es naheliegend, das Wort „Pflicht“ im
Bereiche des „Sittlichen“ zu verwenden, wie ja auch das Wort „Sitt-
lichkeit“ von „Sitte“ stammt. Unterschied man dann aber auch „Sitt-
lichkeit“ von „Sitte“, so kam man doch von der Vorstellung des „Ge-
botenen“, nämlich „des mit einem Anspruche auf sittengemäßes Ver-
halten Gebotenen“ und später des „von Gott Gebotenen“ nicht los, und
so wurde denn das Wort „Pflicht“ im Sinne von „sittlicher Pflicht“ so
recht das Symbol der „Gebotethik“, ein Wort, das man, obgleich nun-
mehr fehl am Orte, noch weiter verwendete, als man zur „Gewissens-
ethik“ überging und also die „sittlichen Pflichten“ durch „Gebote“
‘„Imperative“) des eigenen Gewissens entstehen ließ. Erkennt man aber,
daß eine „Ethik“ sich durchaus nicht auf dem „Pflichtbegriffe“ gründen
läßt, der „Pflichtbegriff“ vielmehr gerade das stärkste Hindernis einer
Erkenntnis des Gegebenen „Sittlichkeit“ darstellt, so ist nicht nur das
Wortgefüge „sittliche Pflicht“ zu streichen, sondern ist dem Worte „Pflicht“
sein wahrer Sinn zurückzugeben, nämlich jener Sinn, welchen auch
das Wort „Sollen“ hat, das eine durch Anspruch begründete
besondere Lage bezeichnet. Die Worte „Pflicht“ und „Sollen“
haben also einen und denselben Sinn, es gibt aber weder eine „sittliche
Pflicht“, noch ein „sittliches Sollen“, da jener, der sich „aus Pflicht“,
„wegen eines Sollens“ in besonderer Weise verhält, sich niemals „sitt-
lich“ verhält, vielmehr die Absicht hat, durch sein Verhalten eine Ver-
Sschlechterung des ihn selbst betreffenden Interessengesamtzustandes zu
verhindern.
Fassen wir nun aber eine Lage ins Auge, welche die Gesamtheit
jener Allgemeinen enthält, die als grundlegende Bedingungen dafür
in Betracht kommen, daß jemand durch eigene Erfahrung besonderen
eigenen Verhaltens eine „sittliche Reue“ gewinnt, so könnte man etwa
den Versuch machen, zu beweisen, daß es „heteronome“ und „auto-
nome“ Pflichten gebe, deren jede nur eine Besonderheit von „Pflicht
Schlechtweg“ sei. „Pflicht schlechtweg“ könnte man nämlich etwa be-
stimmen als jede Lage, kraft welcher sich der jemanden betreffende
Interessengesamtzustand durch die Erfahrung besonderer Seele von be-
sonderem Verhalten jenes „jemand“ verschlechtern wird, und könnte
etwa weiter sagen, daß eine „heteronome Pflicht“ vorliege, wenn solche
Lage durch jemandes Anspruch begründet wurde und Erfahrung an-
derer Seele von besonderem Verhalten des „Verpflichteten“ die wir-