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Begründung vermissen lassen, ist die Herausarbeitung der ganz be-
sonderen Art von Erkenntnis, die in Frage kommt, wenn wir Ziele
aufstellen oder Werturteile fällen. Die Lücke auszufüllen, ist die Auf-
gabe der folgenden Darlegungen. Dazu bedarf es aber der genauen
Feststellung des Sachverhaltes, auf den sich die Betrachtung bezieht,
die in Zielsetzungen oder Werturteilen ausläuft. Ich versuche, diesen
Tatbestand, rein „phänomenologisch‘‘, wie man das heute nennt, zu
erfassen.
Alles Handeln erfolgt nach Zwecken: Aufstellung von „Richt-
linien‘“ für das Handeln bedeutet ein Urteil über praktisches Ver-
halten. Jedes Urteil über „richtiges‘‘ Handeln ist ein Urteil über
„richtige‘“ Zwecksetzung oder „richtige“ Mittelwahl. Diese kommt
für uns, die wir nach den Erkenntnisgrundlagen einer „Norm‘‘-
Wissenschaft (richtenden Wissenschaft) und nicht nach denen einer
Kunstlehre Ausschau halten, nicht in Frage.
Das Urteil über „richtiges“ Handeln enthält also einen Entscheid
in der Auswahl von Zwecken. Jeder solcher‘ Entscheid gründet auf
einem „„Werturteil‘, das heißt einem Vorzugsurteile.
Jeder Entscheid in der Auswahl von Zwecken setzt zu seiner Be-
gründung voraus ein System von Zwecken, das notwendig in einem
höchsten Zwecke gipfelt. Oder — was dasselbe ist —: jedes Wert-
urteil bekommt seinen Sinn nur in einem System von Werten, das
in einem tiefsten Werte gründet. Der höchste Zweck ebenso wie der
tiefste Wert sind aber — denknotwendig — transzendent. Das be-
deutet aber— und dieses ist der Springpunkt—, daß jeder Entscheid
über Zwecke, auch der harmlosesten (wenn ich mich entscheide,
eine Zigarre zu rauchen, um mich zu erfrischen), und daß jedes
Werturteil, auch das unscheinbarste (wenn ich die Zigarre für ein
Gut erkläre) mit zwingender Notwendigkeit bei dem Versuch
einer Begründung in das Reich des Absoluten ausmündet.
In dieser Hinsicht hat die scholastische Philosophie das „Richtige“
erkannt: „‚Principium totius ordinis in moralibus est finis ulti-
mus...‘“74 ,firmiter nihil constat per rationem practicam nisi per
7 S. Thom., Summa theol. Iae Ifa qu. 72.3 5 6.
Sombart, Die drei Nationalökonomien