$ 2. Meistbegünstigungsklausel — Inländerklausel — Gegenseitigkeitsklausel. 5
Art. 2: „Die Angehörigen jedes der vertragschließenden Teile ge-
nießen im Gebiete des anderen Teiles sowohl für ihre Person wie
für ihre Güter, Rechte und Interessen in bezug auf Abgaben ...
in jeder Beziehung die gleiche Behandlung 'und den gleichen Schutz
bei den Finanzbehörden und Finanzgerichten wie die Inländer und die
Staatsangehörigen der meistbegünstigten Nation.‘
Hier überschneiden sich beide Klauseln. Im allgemeinen zwar wird der In-
länder gleich oder besser behandelt werden als die Angehörigen der meist-
begünstigten Nation. In diesem Falle deckt sich die Gleichbehandlung mit
den Inländern mit der Meistbegünstigung bzw. geht sie über diese hinaus.
Die Bemerkung WICKERSHAMS!: „le traitement national qui garantit
l’egalite parfaite est beaucoup plus large que le traitement de la nation
la plus favorisge“, ist jedoch in dieser Allgemeinheit unzutreffend. —
Es kommt nämlich vor, daß Staaten, um ausländischen Industrien
oder sonstigen ausländischen Unternehmungen einen Anreiz zur Nieder-
lassung zu bieten, steuerliche oder andere Vorteile gewähren, die die
Inländer nicht genießen?.
Da die beiden Klauseln sich nicht notwendig gegenseitig beschränken,
ist die kumulative Zusicherung der Meistbegünstigungsklausel neben der
Inländerklausel im Zweifel nur dahin auszulegen, daß beide Klauseln
in vollem Umfange gelten sollen. Es ist daher anzunehmen, daß sie sich
ergänzen sollen, soweit sie sich nicht decken. Die Verknüpfung der
beiden Klauseln im Sinne der gegenseitigen Beschränkung ist zwar durch-
aus möglich, sie muß jedoch im Handelsvertrag deutlich zum Ausdruck
gebracht werden. — Dieser Auffassung entspricht auch Art. 17 des
Proj. de Convention relatif au traitement des etrangers,
„Les dispositions du titre I ci-dessus, qui prevoient expresse-
ment ]l’octroi du traitement national aux ressortissants des Hautes
Parties contractantes, impliquent l’octroi inconditionnel du traite-
ment de la nation la plus favorisee.“
Um auch die Vorteile zu erfassen, die zwar nicht den Inländern,
aber gewissen Ausländern gewährt werden, wird die Inländerklausel
durch die Meistbegünstigungsklausel ergänzt®.
1 Comite d’Experts pour la Codification progressive du Droit international,
Rapport du Sous-Comite C. 205. M. 79. 1927. V.
2? Vgl. ferner RızpL: Die Meistbegünstigung in den europäischen Handels-
verträgen, 1928. S. 5.
8 Vgl. den Kommentar des Wirtschaftskomitees zu Art. 17: „La disposition
de Varticle 17 ajoute & la garantie fondamentale du traitement national celle du
traitement de la nation la plus favorisee. Certes, dans la plupart des cas, la pre-
Niere assure un traitement plus avantageux que la seconde, mais il est arrive
que certains Etats, par suite de situations traditionnelles, ou pour favoriser l’etablis-
sement dans leurs pays des industries ou entreprises Etrangeres, leurs aient reconnu
üotamment en matiere fiscale, des avantages refuses, en thöse generale, par les