$ 10. Generelle Behandlung und Sondervorteile. 51
das sekundäre Moment der Entgeltlichkeit abzustellen — wie es in
den S. 48 erwähnten Verträgen geschehen ist — und nicht auf den Be-
griff der Sonderbehandlung bzw. der generellen Behandlung (in Zoll-
sachen den Generaltarif!).
Jedenfalls ist der Begriff der Entgeltlichkeit in weitestem Sinne
auszulegen. Man kann erwarten, daß ein Staat einem einzelnen andern
handelspolitisch keine Geschenke macht. Macht er einem Staate auf
Grund der geographischen Lage, der politischen Beziehungen usw. han-
delspolitische Zugeständnisse, ohne sich eine sichtbare handelspolitische
Gegenleistung hierfür einzutauschen, so besteht das Entgelt in den
Vorteilen politischer oder sonstiger Art, die der gewährende Staat sich
davon verspricht. Ein bedingt berechtigter Staat kann diese Vorteile
nicht beanspruchen, ohne selbst etwas hierfür zu bieten!. Wenn aber
ein solches Entgelt wie das des dritten Staates nicht wiederholbar ist,
andererseits der berechtigte Staat Gleichstellung mit der meist-
begünstigten Nation verlangen kann, wird man ihm die Vorteile gegen
ein wertentsprechendes anderweitiges Äquivalent zubilligen müssen.
Abzulehnen ist daher der Rechtsstandpunkt, den die Vereinigten
Staaten im Hawai-Konflikt?* vertreten haben, daß nämlich das durch
den Handelsvertrag vom To. Juli 1851% bedingt meistbegünstigte Eng-
land die Zugeständnisse Hawais an die Vereinigten Staaten nicht be-
anspruchen könne, da es unmöglich die Bedingungen (die geographische
Lage usw.) erfüllen könne, unter denen die Zugeständnisse von Hawai
gemacht worden seien.
In diesem Zusammenhange hingewiesen sei auf die Sondervorteile,
welche auf Grund der unbedingten Meistbegünstigungsklausel einem
dritten Staate unentgeltlich zugestanden werden müssen. Es sind dies
ihrer Natur nach Sondervorteile, die zunächst einem Staate gegen Kom-
pensationen hingegeben wurden. Wenn der auf Grund des besonderen
Rechtstitels, der unbedingten Meistbegünstigungsklausel, berechtigte
Staat diese Vorteile scheinbar unentgeltlich beanspruchen kann, ver-
lieren diese doch nicht den Charakter von Sondervorteilen, zumal der
unbedingt meistbegünstigte Staat das Entgelt für den Sondervorteil
schon bei dem Erwerb der unbedingten Meistbegünstigungsklausel ab-
yegolten hat. Es wäre unbillig und würde dem Prinzip des do ut des,
welches der bedingten Meistbegünstigungsklausel zugrunde liegt, wider-
sprechen, wollte man dies Entgelt auch schon durch den Erwerb der
minder wertvollen bedingten Meistbegünstigungsklausel als für die Zu-
kunft abgegolten betrachten“.
1 So im Ergebnis SCHWEINFURTH: a. a. O, S, 77.
* Siehe CULBERTSON: a. a. O. S. 83.
4 Siehe H. Arch, 53, I, S. 205.
* So im Ergebnis HATscHEK: Völkerrecht. S. 258. S. auch RıEeDL: a. a. 0.5. 7.