Full text: Deutscher Industrie- und Handelstag

aus dem Young-Plan und aus einer Steuerumlagerung für eine 
Entlastung an jenen Stellen freizumachen seien, wo die Entlastung 
am unmittelbarsten und wirksamsten der Gesamtheit der Volkswirt— 
schaft zugute kommen würde. Die Entwicklung ist einen anderen 
Weg gegangen. Man stellte es eine Zeitlang so dar, als ob lediglich 
die jähe Forderung des Reichsbankpräsidenten Dr. Schacht auf 
Bereitstellung außerordentlicher Tilgungsmittel von 450 Millionen 
die Wendung gebracht hätte. In Wirklichkeit war es weniger eine Wen— 
dung von Tatsachen als eine Wendung der Erkenntnis von der Un— 
haltbarkeit der Kassenlage des Reiches und des wachsenden Fehlbetrages 
des außerordentlichen Haushalts, verschärft durch die ungünstige Ent⸗ 
wicklung der Ist-Einnahmen des Reiches. Man hatte sich jahre— 
lang daran gewöhnt, Ausgaben auf den außerordentlichen 
Haushalt zu übernehmen, die nicht werbende Ausgaben waren, 
wie das die Reichsverfassung verlangt. Man setzte dies Verfahren 
auch fort, als die Lage des Kapitalmarktes offenkundig nicht mehr 
zuließ, die notwendigen Anleihen zur Bestreitung dieser an sich nicht 
anleihefähigen Ausgaben aufzunehmen; endlich, als die Anleihen 
versagten, griff man zu Kassenmitteln des ordentlichen Haushalts. 
Der Reparationsagent wandte sich mehr als einmal dagegen; auch 
die Finanzminister haben 1927, 1928 und 1929 ihre bessere Er— 
kenntnis nicht verhehlt. So wurden in den Jahren 1924 bis 1929 
im außerordentlichen Haushalt 33/, Milliarden Nettoausgaben 
genehmigt, während bestenfalls die Hälfte echte außerordentliche 
Ausgaben waren und von diesen wieder ein großer Teil keine An— 
leihedeckung fand. Zwar stehen dem Ansprüche des Reiches auf 
Rückzahlung von Darlehen aus dem außerordentlichen Haushalt 
gegenüber, aber sie sind zu einem erheblichen Teil wohl ebensowenig 
wie die bewilligten Anleihen zu verwirklichen. Anderseits ist in 
den Jahren 1924 bis 1929 der überwiegende Teil der aus ein— 
maligen Einnahmen angesammelten Mittel, wie vor allem der 
Münzgewinn, dem außerordentlichen Haushalt vorenthalten und 
für ordentliche Ausgaben verwendet worden. 
Echte Uberschüsse hatte das Reich nur in den Jahren 1924 
und 1925. Das Bestreben, durch Steuermilderung von ihnen 
wegzukommen, war grundsätzlich richtig. Aber es gelang nicht, den 
schmalen Weg zwischen Überschuß und Fehlbetrag zu finden. Schon 
vom Jahr 1926 an hatten wir auch im ordentlichen Haushalt 
Fehlbeträge von 284, 192, 509 und 298 Millionen. Uberschüsse, die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.