102 Die Übererzeugung
Zusammenhänge beizufügen, welche die heutige Desorganisation
der Weltwirtschaft bedingen.
Während des Krieges zerbrach man sich den Kopf über seine
mutmaßlichen wirtschaftlichen Folgen. Günstiges erwarteten wohl
nur wenige Heißsporne. Die Meinungen gingen dahin auseinander,
daß die einen eine Verknappung der Versorgung nach dem Kriege
auf Grund starker Nachfrage (geräumte Bestände, Warenheißhunger)
der einzelnen Länder ebenso bestimmt erwarteten, wie andere auf
Grund der stark gesteigerten industriellen Expansionsgehäuse eine
nach einer Übergangszeit rasch wieder normal werdende Versor-
gung, ja sogar eine Überproduktion annahmen.
Nach unseren Ergebnissen möchte man fast sagen, daß beide
Meinungen recht und unrecht behalten haben. Es hat unzweifelhaft
seit dem Jahre vor dem Ausbruch des Weltkriegs das industrielle
Expansionsgehäuse eine bedeutende Erweiterung erfahren. Die theo-
retische Kapazität in der Welt darf heute — ganz besonders auch
auf Grund der starken Erweiterung der Selbstversorgung über-
seeischer Länder mit Industriewaren, dem gewaltigen Erstarken der
amerikanischen, indischen, japanischen, australischen Erzeugung —
beträchtlich höher eingeschätzt werden als vor dem Weltkriege.
Dazu kommen Ersatzfabrikationen aller Art, Neuschaffung von In-
dustrien in den neugebildeten Staaten, Fortschritte in der Technik
der Erzeugung wie der gesteigerten Ersetzung von Kohle durch
Wasserkraft und Elektrizität usw. Trotz allem und allem aber hat
dieser Zustand nicht zu .der erwarteten Übererzeugung und der
daraus gefolgerten Verbilligung führen können.
Im Gegenteil. Das Bild der weltwirtschaftlichen Krisis wird durch
eine Teuerung bezeichnet, deren Niveau an die Preisverhältnisse
längst vergangener Zeit erinnert, die jedenfalls weit hinter der Ent-
wicklung liegen, auf welcher die weltwirtschaftlichen Fortschritte
der 90er Jahre und der ersten 14 Jahre des neuen Jahrhunderts auf-
gebaut waren. Diese Teuerung bei notorischem Ärmerwerden der
Welt, also verringertem Weltbedarf an vielen Waren, und gleich-
zeitig vorhandener potentiell vergrößerter Erzeugung, gehört zu
den Erscheinungen unserer Zeit, die zunächst völlig unklar sind.
Man ist gewohnt aus vorhandener Steigerung der Erzeugungsmög-
lichkeiten und gleichzeitig rückläufigem Nachfragevolumen das Ein-