Theorie, daß der starke semitische Einschlag in den abessini—
schen Sitten auf die Tätigkeit von jüdischen Missionaren, die
unter der ursprünglichen afrikanischen Bevölkerung gewirkt
haben, zurückzuführen ist. Die Abessinier selbst glauben,
daß Juden, zehntausend Mann stark, mit Salomos Sohn,
dem ersten Menelik, gekommen sind, als dieser nach beendeter
Erziehung in Jerusalem in das Land seiner Mutter zurück⸗
kehrte und die Bundeslade und die Tafeln des Gesetzes über—
hrachte.
Mit der Geschichte des Landes ist es nicht anders als mit
der Ethnologie. Die meisten Kenner stimmen darin überein,
daß es eine Zeit gegeben haben muß, in der Abessinien und
Agypten von einem gemeinsamen Herrscher regiert wurden.
Die erste Chronologie äthiopischer Könige gelangte durch die
Portugiesen nach Europa; sie wurde von Ludolf, der im
siebzehnten Jahrhundert die erste Geschichte Abessiniens
schrieb, seiner Arbeit zugrunde gelegt. Später jedoch ent—
deckte man in den Klöstern ein Manuskript nach dem
anderen, auf die von Priestern weiter zurückreichende, aber
untereinander abweichende Chronologien begründet wurden.
Die Liste der Könige mit ihren Namen, Daten und Regie—
rungszeiten läßt sich danach bis auf etwa 5000 vor Christi
Geburt vervollständigen. Es sind Dokumente von starkem
Interesse, doch keines von ihnen gibt uns das Gefühl der
Zuverlässigkeit.
Auf 950 vor Christi Geburt hat man den Beginn der
Regierung Meneliks J. festgelegt. Er war der Begründer
der Salomonischen Oynastie, die mit einer Unterbrechung
von drei Jahrhunderten während des Mittelalters stets auf
dem abessinischen Thron gesessen hat. Obwohl die Ereignisse
innerhalb eines so langen Zeitraums wie der zwischen
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