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gensatz zur Praxis gestellt wird. So wenig als irgend eine
Wissenschaft, ist auch die Volkswirtschaftslehre als abge
schlossen, als fertig zu betrachten. Allein es ist auf alle Fälle
durchaus unlogisch, bei einer Erfahrungswissenschaft, wie die
National -Oekonomie, einen Satz als theoretisch richtig und zu
gleich als praktisch falsch zu bezeichnen; denn die Theorie
soll ja hier nur der allgemeine Ausdruck der praktischen Er
fahrung sein. Erweist sich z. B. der Freihandel in irgend einem
Fall, selbst in seiner isolirtesten Anwendung, als dauernd schäd
lich, so würde dieser empirisch geführte Nachweis der Schäd
lichkeit, auch die Theorie von seiner Nützlichkeit Umstürzen.
Freihandel und Schutzzoll als Gegensätze von Theorie und
Praxis hinzustellen, ist absoluter Unsinn, ist Verläugnung aller
Grundsätze wissenschaftlicher Methodik. Wohl können in der
Ueberführung eines theoretisch und praktisch richtigen Grund
satzes in’s Leben, also auf dem Gebiet des Staatslebens, un
praktische Missgriffe durch Nichtberücksichtigung bestehender
Verhältnisse, allzu schroffe oder zu rasche Einführung u. dgl.
Vorkommen; allein dies hat mit jener Kardinalfrage nichts ge
mein. Es giebt keine logische Brücke vom Schutzzoll zum Frei
handel, und wenn sich Jemand, wie man dies so überhäufig
hört, theoretisch zum Freihandel bekennt, aber den Schutzzoll,
sei es unter welchen Umständen es wolle, praktisch für richtig
erklärt, so offenbart er dadurch nur ein bedauerliches Defizit
seiner Logik.
Bei diesen Angriffen auf die Theorie bedenken die Gegner
überhaupt nicht, wie auch sie ohne Schlussfolgerungen, aus
denen schliesslich Grundsätze abstrahirt werden, also ohne theo
retischen Apparat keinen Schritt vorwärts kommen können. Sie
nehmen nur für sich in Anspruch, auf unzweifelhaft richtigen, em
pirisch nachgewiesenen Thatsachen ihre Schlussfolgerungen .auf
zubauen, während der Freihändler seine Gesetze auf allgemeinen
Annahmen hasire, mehr spekulativ verfahre. Es läuft also auf
den Streit der induktiven und deduktiven Methode in der Volks
wirtschaft hinaus, oh man nämlich nur von der Beobachtung
zum Prinzip aufsteigen, oder vom Standpunkte allgemeiner
Prinzipien aus seine Folgerungen ziehen dürfe. Der ganze
Streit ist eigentlich ein müssiger. Denn wer in der Volks-