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unternommen worden wäre, den Nothstand aus den Zollmaass
regeln von 1865/70 abzuleiten.
Und doch schälte sich aus dieser roh-empirischen Behand
lung der wirthschaftlichen Frage ein bestimmtes System heraus,
zu welchem sich die Interessenten, weil es „praktisch“, die
Dilettanten, weil es höchst einfach und fasslich war, bekannten.
Der Inbegriff aller wirthschaftlichen Thätigkeit ist die Operation
des Tausches eigener und fremder Leistungen. Diese Operation
hat also zwei Seiten: den Verkauf der eigenen Arbeitsleistung
(Produzent) und den Einkauf der Arbeitsleistungen dritter (Kon
sument). Jede dieser beiden, in untrennbarem wirthschaftlichen
Zusammenhang stehenden Theil-Operationen, steht, für sich be
trachtet, in einem Gegensatz zu der anderen Operation, welcher
sofort hervortritt, sowie durch äussere Maassregeln die eine von
beiden Pheil- Operationen künstlich bevorzugt oder benachtei
ligt wird. Und dies ist die Tendenz des Schutzzolls, gleich
viel ob er beabsichtigt die Preise oder nur den Umfang ge
wisser Produktionen zu steigern. Wenn nun Jemand seine öko
nomischen b orschungen mit dem blossen Produktionsinteresse
abschliesst und die Gegenwirkungen auf die mit der Konsumtion
zusammenhängenden Interessen und deren Kreislauf zum Pro
duzenten zurück unerörtert lässt, so beschränkt sich seine
ganze wirtschaftliche Notdurft auf den Einen Satz „durch
Schutzzölle möglichst hohe Vergütung für die eigene Arbeits
leistung zu erlangen und Gott für das Weitere sorgen zu lassen.“
Dies ist, bewusst oder unbewusst, die Quintessenz der neuen
wirthschaftlichen Lehrmethode.
bür diese Lehre ist der Fachmann, der Interessent der
wahre und einzige Nationalökonom; — das allmählige Eindringen
dieses erhebenden Bewusstseins nationalökonomischer Befähi
gung konnte man denn auch in den Reihen der letzten Reichs
tagsmajorität fast von Sitzung zu Sitzung verfolgen.
Zu ihrer parlamentarischen Introduktion bedurfte diese
neue „Doktrin des reinen Produzenteninteresses“ allerdings
noch der Berufung auf’s Gemeinwohl. Es ist klar, wie ein
Produzent, der mehr verdient oder absetzt, auch im Stand ist,
seinen Arbeitern höheren Lohn zu geben, oder eine grössere
Zahl derselben zu beschäftigen. Der Satz ist an und für sich
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