Full text: Die Tarifreform von 1879

jeder Erwerbthätige ist also durchschnittlich, ausser seiner 
eignen, mit der Ernährung und Erhaltung von 1,64 nicht er- 
werbthätigen Angehörigen, d. h. reiner Konsumenten belastet.*) 
Diese Belastungsziffer wechselt aber nicht bloss ausserordent 
lich in den einzelnen Berufsklassen, sondern je nach der 
Stärke der einzelnen Haushaltungen; die Belastung durch einen 
Schutzzoll erweist sich sonach als eine enorm verschiedene, 
je nachdem sie einen Junggesellen oder einen Familienvater 
trifft, der vielleicht ein halbes Dutzend erwerbsunfähige Ange 
hörige zu ernähren hat. Auch die Ueberwälzung von Vertheu- 
rungen auf die letzten Konsumenten, beziehungsweise vom 
Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber, wird sich höchstens bis zum 
Durchschnitt jener allgemeinen Belastungsziffer durchsetzen 
lassen; was darüber hinaus geht hat der Betroffene allein 
zu tragen. 
Die Gleichmässigkeit der Schutzzoll-Belastungen und -Vor 
theile leidet ferner Schiffbruch an dem Verhältnis zwischen 
den Produzenten materieller und immaterieller Güter. 
Die letztere Kategorie umfasst die Millionen von Staatsbürgern 
und Angehörigen, welche für Gesundheits- und Geistespflege, 
Rechtschutz, öffentliche Sicherheit u. s. w. thätig sind und meist 
in festem Gehalt stehen. Der Wechsel, welchen der Brief des 
Fürsten Reichskanzlers vom 15. Dec. 1878 den Beamten auf 
Erhöhung ihrer Gehälter, als Ersatz von Schutzzollvertheurungen, 
ausstellt, dürfte uneingelöst bleiben, wenn sich nach weisen lässt, 
dass ein erhöhter Volkswohlstand durch die Zollpolitik von 
1879 nicht zu erwarten ist. Für diese, im Wesentlichen alle 
Staats- und Privatbeamte, das Heer und die Flotte umfassende 
Konsumentenklasse, hat also der Schutzzoll nur die Chance 
es Nachtheils, so lange wenigstens, bis sich alle Gehälter dem 
veränderten Preisniveau ihrer Bedürfnisse angepasst haben 
werden, was nur langsam und höchst ungleichmässig geschehen 
könnte. 
Auch das Verhältnis der Arbeitgeber zu den Arbeit 
nehmern bedingt die höchste Ungleichmässigkeit in der Ver- 
) Siehe hierüber den vortrefflichen Aufsatz von Dr. Engel: „Wer 
Consument, wer Produzent?“ im 19. Jahrgang der Zeitschrift des 
K. Preuss. statistischen Bureaus.
	        
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