Full text: Die Tarifreform von 1879

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massig unterstützen sollen, so stehen sich alle wieder gerade 
so, als wenn gar keine Unterstützung stattfände. Verallge 
meinerter Schutzzoll könnte, in seinen praktischen Konsequenzen, 
nur dahin führen, dass, abgesehen von der verstärkten Be 
lastung des oben nachgewiesenen grossen, ausserhalb aller Pro 
duktionsinteressen stehenden Theils der Bevölkerung, das Niveau 
aller inländischen Preise für Produkte und Leistungen ent 
sprechend steigen und eine Ausfuhr ins Ausland unmöglich 
würde, wenn man nicht dorthin um den Betrag der Zollbe 
lastung billiger verkaufte. Indem wir die unabweisbare Kon 
sequenz des verallgemeinerten Schutzzolls bis zu einer solchen 
Verläugnung aller wirtschaftlichen Logik (für das Inland 
theuer, für das Ausland billig) verfolgt haben, dürfen wir diese 
Idee wohl umsomehr verlassen, als sie selbst von den ergeben 
sten Dienern des Reichskanzlers bei der Durchführung des 
Tarifs von 1879 fallen gelassen wurde. Leider aber geschah 
dies nicht, ohne die traurigen Spuren des aufgegebenen Prinzips 
in den Getreide-, Holz- und Viehzöllen und in der Wiederein 
führung vieler kleinen Zölle, welche die Delbrück’sche Periode 
abgeschafft hatte, zu hinterlassen, die sich nun mit dem Varn- 
büler’schen Hinaufschrauben der industriellen Schutzzölle und 
mit neuen Finanzzöllen zu jenem zollpolitischen Conglomérat 
vereinigten, welches der Tarif von 1879 genannt wird. 
Auf diesem historischen Wege ist Deutschland zur Herr 
schaft eines industriell-agrarischen Schutzsystems ge 
langt, welches, wie bereits erwähnt, keine einzige Autorität 
auf dem Gebiete der gesammten Volkswirtschaft, nicht einmal 
die schutzzöllnerischen Schriftsteller List, Carey u. s. w. zu 
Vertheidigern hat, eines Systems, mit welchem Preussen zuerst 
unter allen Staaten gebrochen hatte, welches gegenwärtig selbst 
von den konsequentesten Schutzzollstaaten, wie Frankreich, 
Oesterreich, Russland, Nordamerika verläugnet wird, nachdem 
es sich in der Praxis als absolut unhaltbar erwiesen hatte. Es 
steht „auf sich selbst allein.“ 
War aber nun einmal das Dogma adoptirt, dass man den 
allgemeinen Nothstand durch Zollmaassregeln heilen könne, 
welche die Einfuhren beschränkten und die Preise steigerten, 
so liess sich auch nichts mehr gegen die fliegende Eile ein-
	        
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