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nationale Vereinbarung unter den sämmtlichen Industriestaaten zu Stande
gebracht hätte, welche die Arbeitsbedingungen und also die Lebensbedingungen
in der Industrie überhaupt auf gemeinsamen, im Interesse der Arbeiter
zu befestigenden Prinzipien eingerichtet hätte."
Der Herr Abgeordnete Bamberger wies darauf hin, daß auch der
Gesetzesentwurf in seinen Motiven sich nicht verhehle, welchen Gefahren
er durch diese Organisation die Industrie für die Zukunft aussetze, und
daß die Export-Industrie durch die enorme Belastung gefährdet werden
könne, weil sie auf dem ganzen Weltmärkte konkurriren müsse. Er
fügte wörtlich hinzu:
»Es ist höchst bezeichnend für die herrschende Anschauungsweise, daß
man denkt, die Preisbildung habe eine Wichtigkeit für den Export und sie
sei für die innere Konsumtion ins Unendliche ausdehnbar, als hänge es
nur von dem guten Willen des inländischen Konsumenten ab, wiewiel er
bezahlen und konsumiren wolle. Ich sage: nein, meine Herren, in
demselben Moment, wo Deutschland exportunfähig würde, würde auch die
Produktionskraft und die Konsumtionsfähigkeit für sein eigenes Gebiet auf
das Gewaltigste erschüttert und reduzirt werden."
In der That ist der Kern- und Schwerpunkt bei der Unfallversicherung
wie bei allen anderen Wohlfahrtsgesetzen in der finanziellen Belastung zu
suchen, welche dieselbe für die Industrie mit sich bringt. Wird durch
diese Einrichtung die nationale Produktion wesentlich vertheuert, wachsen
die Auflagen, welche man der Industrie zuweist, über ein gewisses Maß
hinaus, so hört dieselbe auf, konkurrenzfähig auf dem Weltmärkte zu bleiben,
und selbst der Absatz auf dem inneren Markte würde gefährdet sein, da
die sehr maßvoll bemessenen Schutzzölle des neuen Tarifs gegen den An
sturm der billiger arbeitenden Konkurrenz des Auslandes keinen aus
reichenden Schutz gewähren würden.
Der entscheidende Gesichtspunkt liegt sonach bei allen diesen Wohl
fahrtseinrichtungen in den finanziellen Opfern, welche der vaterländischen
Industrie aufgebürdet werden, und hierauf sollte der Gesetzgeber vor
Allem sein Augenmerk richten. Es wäre dies um so mehr Pflicht bei den
Vertretern einer Partei, welche von Schutzzöllen grundsätzlich
nichts wissen will, welche den Freihandel zum Angelpunkte
ihres politischen und wirthschaftlichen Verhaltens gemacht hat,
und die nicht aufhört, unser wirthschaftliches Leben durch aufreizende
Zeitungs- und Korrespondenzartikel, durch Parlamentsreden und Brochuren
Tag für Tag zu beunruhigen, und dadurch den gewerblichen Unternehmungs
geist zu lähmen.
Unzweifelhaft hofft die Freihandelspartei immer noch aus die Ver
wirklichung ihres handelspolitischen Ideals, da sie ja sonst den nutzlosen,
aufreibenden und nach dem Urtheile der überwiegenden Mehrzahl aller
Gewerbetreibenden unheilvollen Kampf aufgeben würde. Wären aber erst
die kleinen Zollschranken, welche der neue Tarif aufgerichtet hat, gefallen.