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was würde dann aus der deutschen Industrie werden, wenn man durch
staatliche Auflagen, Abgaben und Lasten die vaterländische Produktion so
vertheuerte, daß sie mit der billiger arbeitenden des Auslandes nicht mehr
konkurriren könnte?
Ein weiterer Hauptgesichtspunkt, auf den die Industrie den allergrößten
Nachdruck legt, ist der, daß durch die zu treffenden Einrichtungen ein
harmonisches Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern
ermöglicht und ver gestörte Frieden der Arbeitsstätte wieder angebahnt
werden möchte.
Die Industrie hat deshalb auch von Anfang an die Form, in welcher
das Versicherungswesen organisirt und aufgebaut werden soll, für viel
weniger wichtig und entscheidend angesehen als die materiellen
B e st i m m u n g e n über die Aufbringung der Lasten, die Ordnung
der Verwaltung u. dergl. m. Für alle diese Dinge, die in der Praxis
und im Leben von der entscheidendsten Bedeutung sind, hat Herr
Dr. Bamberger anscheinend weder ein Verständniß, noch ein Interesse,
und den gleichen Vorwurf müssen wir leider auch gegen die Mitglieder
der nationalliberalen Partei, gegen Herrn Oechelhäuser und gegen Herrn
Dr. Buhl erheben.
Es zeigt sich iminer wieder, daß man ein sehr geistreicher Redner und
doch ein sehr schlechter Gesetzgeber sein kann. Herr Bamberger zitirt
eine Aeußerung des bekannten National-Oekonomen und ehemaligen fran
zösischen Finanzministers Leon Say, der in einem Vortrage über die
sozialistischen Unternehmungen des deutschen Reichskanzlers bemerkt hatte:
.Ich weiß nicht, ob diese Sache zu einem praktischen Ziele kommen
wird; ist aber ein Besiegter dabei, so wird das die deutsche Industrie sein;
denn indem sie einen Schritt rückwärts zu überwundenen Einrichtungen
macht, wird sie den rivalisirenden Nationen ein Konkurrenzfeld offen lassen,
um sie auf dem Weltmarkt um so leichter zu besiegen.'
Wenn Herr Dr. Bamberger die richtige Konsequenz dieses Zitates
gezogen hätte und ziehen wollte, so müßte er vor Allem danach trachten
eine zweckmäßige Vertheilung der Versicherungs-Prämien
herbeizuführen und Versicherungs-Einrichtungen zu schaffen, welche
am billigsten funktioniren. Von Alledem ist in seinen Bestrebungen
nicht ein Jota zu entdecken. Der Fehler in dem wirthschaftlichen Stand
punkte des Herrn Dr. Bamberger und seiner Freunde besteht eben darin,
daß sie ein positives Verhältniß des Staates oder Reiches zur Volkswirth
schaft nicht zu finden wissen, und von diesem fehlerhaften Standpunkte
aus empfehlen sie Einrichtungen, welche die Lasten der Industrie in un
gerechtfertigter Weise vertheuern und dieselbe daher in ihrer Konkurrenz
fähigkeit beeinträchtigen. _
Durch die Reden des Herrn Dr. Bamberger, des Herrn Oechel-
Häuser, des Herrn Ludwig Löwe u. s. w. zieht sich wie ein rother
Faden die Sorge um die P r i v a t - Unfallversicherungsgesellschaften. Täglich