habe, die Welt durch trübe Fraktionsbrillen anzuschauen, so muß ich
freilich sagen, daß der Geist des seligen Vallhorn auch in den Sitzungs-
räumen unserer Parlamente ein Stanimgast ist, und daß hier intra und
extra gesündigt wird, wie dies im Leben meistentheils der Fall ist.
Ich mache es mir deshalb auch nicht so leicht, wie der Anonymus in
der „Nation", welcher alles das, was die Neichsregierung, die Industrie,
der Zentralverband deutscher Industrieller u. dergl. in Bezug auf die Arbeiter-
versicherungs-Gesetze bisher geleistet oder in Vorschlag gebracht, mit einigen
wegwerfenden Redensarten abfertigt. Für ihn haben sich alle diese Vor
schläge „niemals auf die Höhe eines Prinzips zu erheben
vermocht" .... „Regierung und Industrie sind vielmehr
von einem unvollständigen Projekte zum anderen umher
geirrt" . . . „sie haben den Boden einer allmäligen Rechts-
entwickelung verlassen und den der gesetzgeberischen Willkür
beschritten"... „sie chara k te ri sir en sich durch Prinzip losigkeit"
und „haben endlich in den Grundzügen des dritten Entwurfs
die ganze Armuth ihrer gesetzgeberischen Kraft enthüllt".
Der alte Göthe hat doch Recht, mit der Bescheidenheit kommt man in der
Welt nicht vorwärts.
Von hüben und drüben sind erst in ben letzten Tagen wiederum
gegenseitige Ermahnungen ausgegangen, man möchte doch in Rede und
Schrift sich eines Tones befleißigen, dessen man sich in der gebildeten
Gesellschaft nicht zu schämen hätte. Ich kann nicht finden, daß der Herr
Anonymus diese Ermahnung beherzigt hat. Es mag ein erhebendes
Gefühl sein, wenn man getragen und durchdrungen ist von dem Bewußtsein,
daß man allein den Stein der Weisen gefunden hat und daß alle
Anderen, gleichviel, ob sie den Verhältnissen nahe stehen und dieselben
seit langen Jahren beobachtet haben, gleichviel, ob sie zu den Regierten
oder Negierenden gehören, gleichviel endlich, ob ihr Blick durch das große
Interesse, welches sie bei der Lösung dieser Aufgaben haben, wesentlich
geschärft ist, oder ob sie durch ihre amtliche Stellung eine besondere
Verantwortlichkeit haben, ohne Weiteres in die Klasse der Flach-, Stroh-
und Hohlköpfe zu verweisen sind. Daß diesen auf schwindelnder Höhe
befindlichen Geistern vor ihrer Gottähnlichkeit nicht ein wenig bange wird!
Der Herr Anonymus thut sich auf seine Rechenkunst besonders viel zu
Gute. Hat er denn das kalkulatorische Ergebniß der politischen Thätig
keit seiner Parteifreunde noch niemals gezogen? Gründe und Zeitungs
artikelsind heutzutage noch billiger wie Brombeeren, und daß die sogenannten
statistischen Zahlen sich durchkneten lassen wie weiches Wachs, ist längst
kein Geheimniß mehr. Es giebt aber eine Instanz, gegen deren endgiltige
Entscheidung alle Argumente wie Staub in die Winde verweht werden,
und diese Instanz ist die öffentliche Meinung und die Geschichte. Während
sonst der welthistorische Prozeß zuweilen lange Zeiträume durchlaufen muß,
ehe er zum Abschluß gelangt, ist die Thätigkeit, welche die sogenannten