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Scheinbar gleichgültig, hatte der leitende Staatsmann den
Fortgang der Bewegung in Deutschland doch mit Aufmerk
samkeit verfolgt. Und 1884 schien ihm der Augenblick ge
kommen, auch Vonseiten der Reichsregierung Stellung zu nehmen.
Man rechnet den Beginn einer aktiven deutschell Kolonial
politik nicht mit Unrecht vom 24. April 1884. An diesem
Tage sandte der Reichskanzler ein Telegrainm cm dell deutschen
Konsul in Kapstadt, in welchem derselbe beauftragt wurde, der
kapischen Regierung amtlich mitzuteilen, daß die Erwerbungen
durch Deutsche nördlich vom Oranjefluß unter ben Schutz des
Deutschen Reiches gestellt seien. Ein entscheidender Schritt
war gethan. Es folgten die Flaggenhissnngen und Schutz-
erklärungen durch Dr. Rachtigal an der südwestafrikanischen
Küste, in KamerlNl und im Togolande.
Bei neuen Schritten, die Menschen wie Staaten thun,
sind die Ausgangspunkte voll eiltscheidender Bedeutuilg. Und
zwar wollen nicht nur die sachlichen Beweggründe, die uns
dabei vorschweben, nicht minder auch die augenblicklichen psycho
logischen Motive beachtet sein. Meist vermuten wir, geschicht
lich rückschauend, bei folgereichen Entschlüssen eine Summe
von klaren und tiefgehellden Erwägungen, während häufig
plötzliche Eindrücke und mehr zufällige Umstände die Entschei
dung für weittragende Schritte gegeben haben. Auch darin
zeigt sich, daß eine verborgene, höhere Ha,ld bei allen mensch
lichen Unternehmungen mitwirkt. Wo wir etwas Neues be
ginnen, ist eben eine gewisse Kraft und Naivetät des Glaubells
vonnöten, eine optimistische Anregung, die uns zunächst über
die Mühen, Opfer und Kämpfe, die der neue Weg mit sich
bringt, mehr und minder hinwegschauen, das Ziel, dem wir
zustreben, aber in hellem Lichte leuchten läßt. Alle großen
und erfolgreichen Entwickelungen gehen, könnte man daher sagen,
zunächst durch ein Stadium des Unbewußten, oder was häufig