Full text: Die Haftpflicht der Eisenbahn-, Bergbau- und Fabrik-Unternehmer

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Schlesien, der Grafsch. Glatz, Neuvorpommerns, der Insel 
Rügen und der Hohenzollernschen Lande, wenn sie bergmännisch 
gefördert oder auch nur durch „Gräberei" gewonnen werden, 
dem Haftpflichtgesetze unterworfen. Hätten sie ausgenommen 
werden sollen, wäre dies besonders ausgesprochen gewesen.*) 
Es heißt dann weiter in den „Mot.": „Neben den Berg 
werken sind die Steinbrüche noch besonders aufgeführt, da die 
durchschnittliche Gefährlichkeit derselben die Anwendung des 
Gesetzes auf dieselben erheischt und andererseits es zweifelhaft 
sein konnte, ob ein Steinbruch unter die Bezeichnung „Berg 
werk^ zu subsummiren sein würde. Dasselbe trifft rücksichtlich 
der Mergel-, Kies-, Sand-, Thon-, Lehm- und ähn 
licher Gruben zu, welche in Uebereinstimmung mit der Ter 
minologie neuerer Berggesetze unter dem Ausdruck „Gräberei" 
zusammengefaßt sind. Die Anwendbarkeit des Gesetzes nach 
Analogie des § 154 der Gewerbe-Ordnung für den Norddeut 
schen Bund auf unterirdisch betriebene Brüche oder Gruben 
zu beschränken, dürfte sich nicht rechtfertigen lassen." — 
3. Was unter „Fabrik" zu verstehen sei, ist nach den 
„Mot." auch hier, wie in andern Gesetzen, dem Richter über 
lassen, da eine Feststellung des Begriffs vergeblich versucht 
würde, auch eine Aufzählung der unter das Gesetz fallenden 
Etabliffcments, wie in englischen Gesetzen erfolgt sei, abgesehen 
von der dadurch eintretenden Casuistik, „nie vollzählig sein 
könne", und „bei der rapiden Entwickelung der modernen In 
dustrie, welche in rascher Folge alljährlich neue Arten von Fa 
briken hervorrufe, mit dem wirklichen Bedürfnisse nicht in Ein 
klang stehe." Ebenso verbiete sich die Hinweisung auf § 16 
der Gewerbe-Ordnung für den Nordd. Bund und die Unter 
scheidung der Fabriken nach ihrer Gefährlichkeit oder ihren 
Triebkräften. 
„Hiernach mußte es sich empfehlen, das Gesetz auf alle 
Fabriken ohne Ausnahme für anwendbar zu erklären.**) Wenn 
auf diesem Wege ersteres sich auch auf eine Anzahl von weniger 
gefährlichen Unternehmungen beziehen wird, so ist dies beim 
Mangel der bei letzteren eintretenden Unglücksfälle ohne prakti 
sche Bedeutung, wogegen andererseits das erstrebte Ziel, alle 
gefährlichen Anlagen der Wirksamkeit des Gesetzes zu unter 
werfen, mit Sicherheit erreicht ist". 
„Eine Unterscheidung der Fabriken nach der Zahl der in 
denselben beschäftigten Arbeiter, wie dies z. B. in der Englischen 
Akte 30 und 31. Viet. c. 103 (15. August 1867. An Act 
for the extension of the Factory Acts) 3. N. 7 geschehen 
ist, ***) erscheint für den hier angestrebten Zweck nicht aus 
führbar". (Mot.) 
4. Im klebrigen findet sich zu diesem Paragraph noch zu 
bemerken, daß die Worte „eine zur Leitung oder Beaufsichti 
gung des Betriebes angenommene Person" deut § 74 hes 
Preußischen Allgemeinen Berggesetzes entnommen sind. Dkese 
Worte werden im weitesten Sinne aufzufassen sein, und na- 
') Merkwürdigerweise sind diese Eisenerzförderungen in den „Mot." 
nicht angeführt, wo dies doch schon die Ausnahme-Bestimmung des § 211 
des Alla. Bcrggcs. hätte nahe legen sollen. Es ist diese Uebergehung um 
so auffallender, da die „Mot." auch den Ausdruck „Gräberei" nicht auf 
Eisenerzförderungen erstrecken (s. o.) 
**) Doch was sind eben „alle Fabriken ohne Ausnahme?" — 
Wenn alle Fabriken gemeint sind, muß ja doch ein bestimmter Begriff 
zu Grunde gelegen haben. — 
Dieser Begriff hätte sich wohl auch genügend dahin fassen lassen: 
„Gewerbliche Betnebs-Anstalten, deren Trieb- oder Arbeitskraft durch 
Maschinen in Verbindung mit Elementarkrästen (Feuer, Luft, Wasser, 
Erde) bewirkt und bewegt wird". 
Unter diese Definition fallen auch Hohöfen und andere Werke 
der Montan-Industrie (Hüttenwerke, Aufbereitungsanstalten, 
Wäschen rc.) 
***) Vergi. Preuß. Handels-Archiv. 1871. I. S. 78 ff. 130. 
mentlich auch diejenigen Bergleute umfassen, welche mit Dienst 
leistungen betraut werden, die für die Sicherheit des ganzen 
Betriebs von Wichtigkeit sind, wie z. B. die Prüfung, welche 
dem Einfahren in den Schacht vorauszugehen pflegt, die Her 
richtung und Austheilung der Sicherheitslampen u. a. m. (Mot.) 
5. Ob und wie weit die landwirthschaftlichen Be 
triebsarbeiten, welche Natur und Erfolg des Fabrikbetriebes 
haben, unter das Haftpflichtgesetz fallen, ist bei der Allge 
meinheit seiner Fassung, besonders mit dem Ausdruck „Fabrik" 
und seiner legislatorischen Erläuterung, fraglich, dem richter 
lichen Urtheile aber immer ebenso anheimgegeben, wie der Um 
fang des Begriffs „Fabrik". — Jedenfalls gehören Braue 
reien und Brennereien, selbst wenn sie nur für den 
Hausbedarf betrieben würden, zu den Fabriken ebenso, wie 
Cichorien-, Zucker- u. a. mehr oder weniger mit landbaulicher 
Production verbundene Fabriken. Ob der Gebrauch von 
Maschinen zu einzelnen Verrichtungen, wie von Sä-, Mäh- 
und Dreschmaschinen u. s. w., den Besitzer oder Miether haft 
pflichtig mache, für dabei vorkommende Fälle, ist zweifelhaft; 
das entscheidende Moment möchte hier schon der Sprachge 
brauch an die Hand geben, indem, wo dieser das Wort Fabrik 
nicht zuläßt, auch von einer Haftpflicht nicht die Rede sein kann. 
Man kann sagen: Roheisen-, Walzeisen-, Rohzink- u. s. w. 
Fabrik für Hohofen, Hütte rc.; aber nicht Sä-, Mäh-, Dresch 
fabrik, auch nicht Saat-, Garben-, Getreide-Fabrik rc. Dagegen 
werden unsere Leder-, Handschuh-, Stiefel-, Kleider- rc. Fabriken 
unter das Haftgesetz fallen, sobald sie Maschinen- und Ele 
mentarkraft zu ihrer Production benutzen. 
6. Die Fassung des § 2 weicht in der Bezeichnung 
des Haftpflichtigen vom § 1 wesentlich ab: hier heißt der 
selbe „Betriebs-Unternehmer", dort: „Wer rc. betreibt". 
Die Unterscheidung ist in der Praxis ohne rechtliche Bedeutung, 
eine mehr sprachliche, als begriffliche. Der Ausdruck „betreibt" 
ist derselbe wie in der Fassung: Wer ein Gewerbe, ein Hand 
werk, einen Handel „betreibt". An die technische Bedeutung 
von „treiben" oder „betreiben", wie sie z. B. die bergmännische 
oder bergrechtliche Sprache kennt,*) hat das Haftpflichtgesetz in 
§ 2 nicht gedacht. 
7. Der Unterschied der Haftpflicht nach § I (der Eisen 
bahnen) und nach § 2 (der Bergwerks- rc. Unternehmer) ist 
wesentlich bedingt durch 
a. die Präsumtion des Verschuldens. — Die 
Eisenbahnen haften unter allen Umständen an erster Stelle 
und unmittelbar; nur der Beweis der „höheren Gewalt" oder 
des „eigenen Verschuldens" des Beschädigten befreit sie von 
der Haftpflicht, gleichviel, wer den Unfall verschuldet hat. 
Der Bergwerks- rc. Betreiber dagegen haftet nur im 
Falle eigenen Verschuldens nach allgemeinen civilrechtlichen 
Grundsätzen und im Falle des Verschuldens seines „Bevoll 
mächtigten oder Repräsentanten, oder einer zur Leitung 
oder Beaufsichtigung des Betriebes oder der Arbeiter 
angenommenen Person". 
Die Haftpflicht des Bergwerks- rc. Betreibers ist also 
weit beschränkter als die Haftpflicht der Eisenbahnen, und zwar 
*) Vergl. : „Deutsches Bergwörterbuch rc. von Heinr. Veith". (Breslau. 
1870) sub voce „Betreiben". 
Für Bergwerke möchte sich der Begriff „betreiben" als Gegensatz von 
„Betriebs-Einstellung" annehmen lassen. — Eine rechtliche Streitfrage 
dürfte sich für die Haftpflicht durch den nach den Berggesetzen zulässigen 
„Zwang zur Inbetriebsetzung" — (vergl. die Commentare von Dr. R. 
Klostermann (Berlin. 1871) S. 445 ff. und von Dr. C. F. Koch 
(Berlin. 1870) S. 141 ff.) — ergeben. Wird der Bergwerksbesitzer, 
wider seinen Willen und trotz Protestes gegen den „Zwang zur Inbe 
triebsetzung", durch letztern haftpflichtig für Unfälle, welche bei dem ihm 
aufgczwungenen Betriebe vorkommen? — 
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