Full text: Die Meistbegünstigung und unser handelspolitisches Verhältnis zur Nordamerikanischen Union

v. Schwerin-LSwitz, Unser Verhaltnis zur Nordamerikanischen Union. 7 
mit anderen — zu gleicher Zeit geschloffenen — Vertragen vergleicht 
und die Auslegung verfolgt, welche diese — dem Sinne nach voll- 
kommen gleichen — Vertrage in spaterer Zeit gefunden haben. 
Jch muh mich — des beschrankten Raumes wegen — hier leider 
darauf beschranken, fur diese Vergleichung auf die bereits von mir er- 
wahnte Schrift von vr. Glier zu verweisen. Aus desfen sehr eingehender 
Vergleichung von mehr als 60 in der Zeit von 1825 bis i860 ab- 
geschlossenen Vertrage und deren spateren Auslegung aber ergibt sich 
fur jeden unbefangenen Leser ganz unzweifelhast folgendes: 
Der Artikel V des preuhischen Vertrages, wie die entsprechenden 
Artikel der konform geschloffenen Vertrage dieser Periods, beziehen stch 
uberhaupt nicht auf Vergunstigungen, welche einem dritten Staat 
durch befondere vertragsmahige Abmachungen gewahrt werden, 
sondern sie regeln lediglich die autonome Zollgesetzgebung der beiden 
Kontrahenten dahin, dah keiner von ihnen berechtigt sein soll, auf die 
Erzeugniffe des anderen hohere Zolle zu legen, als er felbstherrlich, also 
ohne Vertrag von den Erzeugniffen irgend eines anderen Landes erhebt. 
Mit anderen Morten, die beiden Kontrahenten sichern sich in dies em 
Artikel nur gegenseitig den Genuh ihrer Generaltarife zu und fchutzen 
sich gegen die Moglichkeit einer willkurlichen Benachteiligung ihrer 
Erzeugniffe gegenuber den Erzeugniffen aller anderen Lander (Le tout autre 
pays etranger, wie es im franzosischen Originaltext heiht). 
Wie es dagegen gehalten werden soll, falls einer der beiden Kon 
trahenten mit einem dritten Staat einen Vertrag schliehen follte, durch 
welchen er diesem befondere Vergunstigungen einraumt, das wird 
immer erst in einem spateren Artikel (im preuhischen Vertrage von 1828 
Artikel IX) geregelt und zwar immer im Sinne bedingter Meist- 
begunstigung und striktester Reziprozitat. 
Der jetzige Herr Reichskanzler hat zwar in der Reichstagssitzung 
vom 11. Februar 1899, als damaliger Staatssekretar des Auswartigen 
Amtes, in der begreiflichen Abficht die unferem amerikanischen Vertrage 
von semen Herren Amtsvorgangern gegebene Auslegung moglichst zu 
rechtsertigen, die Artikel V und IX dahin zu interpretieren versucht, dah 
nur der Artikel V sich auf Zollsragen, dagegen der Artikel IX auf 
Vergunstigungen anderer Art beziehe, die dem Handel und der 
Schiffahrt eines dritten Staates gewahrt wurden. Jch muh indes — 
bei aller sonstigen Hochachtung vor dem Fursten Bulow — diese Er- 
llarung des Zusammenhangs der beiden Artikel sur durchaus unhaltbar 
erklaren.
	        
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