3. Volkswirtschaft und Weltwirtschaft.
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Handelswaren ein mehr oder weniger ausgeprägtes Monopol besitzt, hat im inter
nationalen Verkehr eine stärkere Position als Länder, die darauf angewiesen sind, ihre
Erzeugnisse in scharfer Konkurrenz abzusehen. Das gilt nicht nur für die Gestaltung
der Verhältnisse, wie sie sich aus dein freien Spiel der Kräfte auf dem Weltmärkte
ergibt, sondern auch hinsichtlich der Möglichkeiten der Einwirkung auf die handels
politischen Maßnahmen der einzelnen Länder, insbesondere im Hinblick auf die Mög
lichkeit, durch Handelsverträge für das eigene Land günstige Konkurrenzbedingungen zu
sichern. Ein Land, das günstige Absatzbedingungen für seinen Export erreichen will,
muß unter Amständen in der Lage sein, den Export des fremden Landes, wenn dieses
kein Entgegenkommen zeigt, durch Einfuhrerschwerungen treffen zu können.
Solche Maßnahmen werden umso eher möglich sein, je mehr der fremde Staat
auf den Absatz nach einem bestimmten Lande angewiesen ist, und umsoweniger, je mehr
ein Land genötigt ist, für seinen Verbrauch oder seine Produktion unentbehrliche Stoffe
aus dem fremden Lande zu beziehen. Deutschland z. B. ist für seinen Bedarf an
Getreide, soweit er die eigene Produktion übersteigt, nicht auf irgend ein bestimmtes
fremdes Land angewiesen. Wenn es in einem Zollkriege mit einem großen Getreidc-
produktionslande die Einfuhr dieser Ware erschwert, so kann es seinen Bedarf ohne
allzu große Schwierigkeiten aus anderen Duellen decken. Nehmen wir aber einmal
Kupfer, als einen der wichtigsten Rohstoffe der großen elektrischen Industrie, so hat
Deutschland hier als Bezugsquelle für den seine eigene Produftion überschreitenden
Bedarf fast nur die Vereinigten Staaten von Amerika zur Verfügung. In welchem
Maße Deutschland für Baumwolle auf die Vereinigten Staaten angewiesen ist, zeigt
der Amstand, daß es von ihnen in den Jahren 1898—1903 jährlich 70—82% seines
gesamten Bedarfes bezogen hat. Infolge dieser Sachlage ist cs für Deutschland
unmöglich, die Vereinigten Staaten durch einen Zoll auf die Einfuhr von Kupfer und
Baumwolle zu treffen; die deutsche Industrie würde trotz des Zolles von Nordamerika
kaufen müssen, sie allein würde unter der Erhöhung des Preises dieser wichtigen Roh
stoffe zu leiden haben, vor allem in ihrer Exportfähigkeit. Die Vereinigten Staaten
dagegen sind kaum für eine der wichtigsten Einfuhrwaren auf irgend ein bestimmtes
Land als Bezugsquelle unbedingt angewiesen.
Die Wandelbarkeit der historisch gewordenen Grundlagen, auf denen der inter
nationale Warenaustausch beruht, zwingt ein jedes am Welthandel beteiligte Land,
die Augen offen zu halten für die sich fortgesetzt weiter vollziehenden Veränderungen
und rechtzeitig Vorsorge zu treffen, um die eigene Volkswirtschaft gegen nachteilige
oder gar verhängnisvolle Wirkungen dieser Veränderungen nach Möglichkeit sicher
zustellen. Ferner muß jeder Staat, der aus seine wirtschaftliche Zukunft bedacht ist,
sein möglichstes tun, um seine Machtstellung innerhalb der Weltwirtschaft zu befestigen
und auf diese Weise bei den fremden Staaten für seine Produktion und seinen Lande!
möglichst günstige Bedingungen zu erlangen. In diesem Zusammenhange haben für unsere
europäischen Länder Besitzungen in überseeischen Gebieten eine ganz besondere Bedeutung.
In dem Kampfe um die Absatzbedingungen haben zweifellos diejenigen Staaten
die stärkste Machtstellung, welche in den unter ihrer Äohcit stehenden Territorien über
die vielgestaltigsten Produftions- und Absatzmöglichkeiten verfügen. Die Produftions
möglichkeiten der europäischen Länder selbst sind beschränkt durch ihr Klima, das die
Gewinnung wichtiger Genußmittel und Rohstoffe ausschließt; zur Ergänzung ihrer
Produftionsmöglichkeiten sind sie auf die Erwerbung und die Entwickelung von Kolonien
in anderen Zonen angewiesen, und diese Kolonien erfüllen ihre wirtschaftliche Aufgabe
umso vollkommener, je mehr sie durch ihre eigene Produktion und Aufnahmefähigkeit
für das Mutterland einen Rückhalt in dem Kampfe um die Absatzbedingungen bilden.
Man kann diese von den Freihändlern der alten Schule verkannte Bedeutung
leistungsfähiger Kolonien als Stütze für die weltwirtschaftliche Machtstellung des Mutter