120
sie sich in Wahrheit hielten, das war, weil sie die Idee
nicht mehr kannten, denn gerade wieder eine Idee;
und was für eine! Wahrscheinlich kann man das kom
munistische Manifest als das Ergebnis des tiefsten
Tiefstandes des deutschen Geistes bezeichnen — inso
fern nämlich, als nach ihm der deutsche Geist über
haupt auf längere Zeit verschwunden war. Es ist auch
heute noch nicht viel wieder von ihm zu merken.
Man darf aber die Idee nicht mit ihrer geschicht
lichen Erscheinungsform verwechseln und deshalb
nicht die Bedingungen, unter welchen sie geschicht
liche Erscheinung wird, als Bedingungen der Idee
auffassen. Die Gotik hat mit dem farbigen Fenster
nichts zu tun, durch das sie geschichtlich erzeugt wird.
Wenn man eine künstlerische Idee in Worte fassen
könnte, so dürfte man die Gotik etwa so bezeichnen:
„Durch den Druck nach unten wird das Streben nach
oben erzeugt." Das ist eine göttliche Idee. Wie könnte
man den Kapitalismus bestimmen? Etwa „Indem
der Mensch von den körperlichen Bedingungen befreit
wird, wird er ihnen gerade unterworfen". Das ist eine
teuflische Idee. Gott hat gesagt zu Adam: „Im
Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen,"
mit diesem Fluch hat er die Arbeit gesegnet, und den
göttlichen Segen wird jeder ehrliche Arbeiter spüren.
Der Teufel verspricht dem Menschen, ihm den Schweiß
der Arbeit zu ersparen, und dadurch unterjocht er ihn
sich. Der Kapitalismus ist in seiner geschichtlichen Er
scheinung wirtschaftlich zu erklären; als Idee aber ist