Naumann?" Innerlich lebendig wird aber die Organisation eben
nur dann bleiben, wenn die Erkenntnis wirtschaftlicher Zusammen
hänge geistiges Gemeingut eines möglichst großen Teiles der
Staatsangehörigen wird und bleibt. Solche Zusammenhänge auf
zuzeigen, wird eine verdienstvolle Aufgabe unserer Nationalöko
nomen sein. Hoffentlich ersteht auch dieser Zeit ein Friedrich List
oder auch mehrere. Sagt doch Schmollet" mit Recht, daß „der
größere Teil aller Schutzzollpolitik des 19. Jahrhunderts aus den
Listschen Gedanken seine geistige Fundamentierung erhalten hat",
und weist damit, ohne die Bedeutung Lifts zu erschöpfen, auf die
Dauer und Größe der Wirkung befruchtender wirtschaftlicher Ideen
hin, denn schon dieser einen Seite staatlicher Wirtschaftsrcgelung
verdankt man dort, wo sie tatsächlich den Bedürfnissen der Volks
wirtschaft entsprach, unendlich viel. Ohne die Bedeutung der ab
strakten Wissenschaft auf dem Gebiete der Erscheinungen des wirt
schaftlichen Lebens zu unterschätzen, möchte ich doch einer Anschau
ungsweise entgegentreten, wie sie mir z. B. in Schumpeters^ Urteil
eben über List an den Tag zu treten scheint.
*” Naumann: Mitteleuropa, Berlin 1916.
°° Schm oller: Grundriß der allgemeinen Volkswirtschaftslehre.
II. Teil, Leipzig 1904.
51 Schumpeter: Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte im
Grundriß der Sozialökonomik, I. Abt., Tübingen 1914: „Bei M. Müller
findet sich der Gedanke, daß die produktiven Kräfte' einer Nation eine über
ihre bloße produktive Rolle in der Gegenwart hinausgehende Bedeutung
haben. Dieser Gedanke findet sich in dieser Zeit auch sonst, besonders in
Amerika (vgl. Taussig: Tarifs History of the United States) und
Frankreich (Dupin: Situation progressive des foroes de la France
1827, und Chapial: Del Industrie trancaise), und er wurde unter diesen
Einflüssen in Deutschland mit besonderer Energie entwickelt durch F. L i st
(Hauptwerk: Nationales System der politischen Ökonomie 1840). Bei diesem
tritt die von den Klassikern so vernachlässigte Tatsachengruppe der nationalen
Entwicklung in der glücklichsten Formulierung hervor, um zum erstenmal
konkrete und auch dem modernen Geschäftsmann, der nichts für romantische
Mystik übrig hat, einleuchtende Anwendung zu finden, bekanntlich auf dem
Gebiete der Zollpolitik. Hier kommt vor allem sein Beitrag zur ökonomischen
Soziologie in Betracht, die Auffassung der nationalen Volkswirtschaft in
ihrer historischen Bedingtheit und in ihrer historisch einzigartigen Verum
ständung, die er durch seine genial-leichtsinnige und überaus wirksame
Lehre von den vier Entwicklungsstufen weiten Kreisen zugänglich machte.
Die Verdienste dieses glänzenden Schriftstellers und sein Erfolg waren sehr
groß. Er ist nicht ohne Anspruch auf eine Stellung in Deutschland, die mit
der Smiths in England eine gewisse Analogie hat. Rur dürfen wir nicht