Vorwort.
In der öffentlichen Meinung der Kriegführenden spukte
lange die Legende von dem schönen Dasein der Neutra
len, zu denen die Not des Krieges nur schwach hinüber
schlage. Gewiß ist es den Neutralen bis jetzt geglückt,
den Krieg selbst von ihren Grenzen fernzuhalten; ihre Ju
gend wird nicht dahingerafft, ihre Städte und Dörfer wer
den nicht in Wüsteneien verwandelt. Und doch stehen ge
rade die Neutralen im Brennpunkte des Ringens, das neben
den blutigen Kämpfen einherschreitet: des Wirtschaftskrie
ges. Die kleinen Länder Mittel- und Nordeuropas sind die
Kampfzonen, ihre Grenzen sind die Fronten dieses Krie
ges. Keine Kampfhandlung ist ihnen hier auferlegt, nur
ein Dulden, kein Gegenschlag; nur ein Ausweichen, keine
Aussicht auf Sieg; nur die Hoffnung, durch alle Drang
sale hindurch den Kern ihrer Unabhängigkeit zu bewahren.
Die Geschichte dieser Drangsale darzustellen ist kei
neswegs die Aufgabe der vorliegenden Schrift. Sie hat ein
viel bescheideneres Ziel. Sie will nur die Zusammenhänge
darlegen, die zu der gegenwärtigen Lage der Neutralen
geführt haben. Die großen Nationen ringen miteinander,
um ihre Lebensbedingungen aufrechtzuerhalten; auch für
die kleinen Nationen handelt es sich um die Aufrechterhal
tung der Bedingungen ihres Daseins, die in vieler Hinsicht
ganz anderer Art sind, als die der großen. Beiden gilt es
gerecht zu werden, das Verständnis für beide zu wecken,
die Aufgaben und die Notwendigkeiten des Krieges, wie
die besondere Lage der Neutralen zu würdigen.