4
wellige Inhaber kann über seine Besitzzeit hinaus nicht verfügen; er
kann dies nicht einmal mit Zustimmung sämtlicher Anwärter tun, da
die erst später geborenen Anwärter dadurch nicht gebunden sein würden.
Für Schulden des.Fideikommißbesitzers haften daher nur die Früchte
des Guts aus der Inhaberperiode des Schuldners. Die Früchte des Guts
an sich haften nur für Schulden des Stifters, ferner für Schulden, welche
der Besitzer kontrahiert hat, um solche des Stifters abtragen zu können,
für Auslagen zur Ablösung dinglicher Lasten des Fideikommißguts und
für Schulden, kontrahiert zur Vornahme von Meliorationen. Kann der
Inhaber seinen Schuldverpflichtungen nicht nachkommen, so kommt
es daher nur zur Sequestration, nicht zur Subhastation des Gutes.
Weil es aber in einem gegebenen Falle dem Interesse der ganzen Familie
entsprechen kann, wenn das Gut oder Stücke desselben veräußert
werden oder eine Änderung der Stiftung erfolgt, so haben die Partikular- -
rechte regelmäßig die strenge Konsequenz aus der ewigen Bindung
durch Willen des Stifters aufgegeben. Sie lassen auf Grund eines
Familienschlusses, der unter Zuziehung und Genehmigung sämtlicher
Anwärter und der Vormünder der Unmündigen — bzw. auch unter Zu
ziehung des Kurators des Fideikommisses, falls ein solcher bestellt ist —
zustande gekommen ist, und nach Prüfung und Billigung der dafür
sprechenden Gründe seitens der Obrigkeit, bzw. mit landesherrlicher
Genehmigung, die Veräußerung des Guts oder Abänderung der Stiftung,
ja sogar die gänzliche Aufhebung des Familienfideikommisses zu. Außer
dem hört ein Fideikommiß auf, wenn alle folgeberechtigten Mitglieder
der Familie gestorben sind. Das letzte folgeberechtigte Familienmitglied
wird dann, wenn die Stiftungsurkunde nichts anderes bestimmt, freier
und rechtlich unbeschränkter Eigentümer des bis dahin gebundenen
Gutes.
Woher kommt dieses Rechtsinstitut? Es gibt noch heute Lobredner
der Fideikommisse, welche in ihnen den Ausdruck spezifisch deutschen
Familiensinnes sehen und eben deshalb ihren historischen Ursprung
als einen Grund dafür geltend machen, daß sie als Rechtsinstitut er
halten bleiben sollen. Allein soweit die Meinungen hinsichtlich der Ent
stehung der Fideikommisse auseinander gehen, so viel steht in
der Wissenschaft fest, daß keines der deutschen Stammesrechte die
Einzelerbfolge kennt, 1 ) daß diese erst unter Friedrich Barbarossa aus
Frankreich nach Deutschland eingedrungen ist, * 2 ) daß ihre Einführung
') Vgl. Heinrich Brunner, Deutsche Rechtsgesohiohte, I, 206.
2 ) Vgl. Monumenta Germaniae historioa, XX, 412, 413. •— Hermann
Schulze, Das Recht der Erstgeburt in den deutschen Fürstenhäusern usw.
Leipzig 1851. S. 213. — L. Brentano, Über Anerbenreoht und Grund
eigentum, Berlin 1895. S. 5. — Derselbe, Gesammelte Aufsätze I,
Erbrechtspolitik. Alte und neue Feudalität. Stuttgart 1899. S. 404 ff. und
a. ä. O.