Full text: Familienfideikommisse und ihre Wirkungen

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wellige Inhaber kann über seine Besitzzeit hinaus nicht verfügen; er 
kann dies nicht einmal mit Zustimmung sämtlicher Anwärter tun, da 
die erst später geborenen Anwärter dadurch nicht gebunden sein würden. 
Für Schulden des.Fideikommißbesitzers haften daher nur die Früchte 
des Guts aus der Inhaberperiode des Schuldners. Die Früchte des Guts 
an sich haften nur für Schulden des Stifters, ferner für Schulden, welche 
der Besitzer kontrahiert hat, um solche des Stifters abtragen zu können, 
für Auslagen zur Ablösung dinglicher Lasten des Fideikommißguts und 
für Schulden, kontrahiert zur Vornahme von Meliorationen. Kann der 
Inhaber seinen Schuldverpflichtungen nicht nachkommen, so kommt 
es daher nur zur Sequestration, nicht zur Subhastation des Gutes. 
Weil es aber in einem gegebenen Falle dem Interesse der ganzen Familie 
entsprechen kann, wenn das Gut oder Stücke desselben veräußert 
werden oder eine Änderung der Stiftung erfolgt, so haben die Partikular- - 
rechte regelmäßig die strenge Konsequenz aus der ewigen Bindung 
durch Willen des Stifters aufgegeben. Sie lassen auf Grund eines 
Familienschlusses, der unter Zuziehung und Genehmigung sämtlicher 
Anwärter und der Vormünder der Unmündigen — bzw. auch unter Zu 
ziehung des Kurators des Fideikommisses, falls ein solcher bestellt ist — 
zustande gekommen ist, und nach Prüfung und Billigung der dafür 
sprechenden Gründe seitens der Obrigkeit, bzw. mit landesherrlicher 
Genehmigung, die Veräußerung des Guts oder Abänderung der Stiftung, 
ja sogar die gänzliche Aufhebung des Familienfideikommisses zu. Außer 
dem hört ein Fideikommiß auf, wenn alle folgeberechtigten Mitglieder 
der Familie gestorben sind. Das letzte folgeberechtigte Familienmitglied 
wird dann, wenn die Stiftungsurkunde nichts anderes bestimmt, freier 
und rechtlich unbeschränkter Eigentümer des bis dahin gebundenen 
Gutes. 
Woher kommt dieses Rechtsinstitut? Es gibt noch heute Lobredner 
der Fideikommisse, welche in ihnen den Ausdruck spezifisch deutschen 
Familiensinnes sehen und eben deshalb ihren historischen Ursprung 
als einen Grund dafür geltend machen, daß sie als Rechtsinstitut er 
halten bleiben sollen. Allein soweit die Meinungen hinsichtlich der Ent 
stehung der Fideikommisse auseinander gehen, so viel steht in 
der Wissenschaft fest, daß keines der deutschen Stammesrechte die 
Einzelerbfolge kennt, 1 ) daß diese erst unter Friedrich Barbarossa aus 
Frankreich nach Deutschland eingedrungen ist, * 2 ) daß ihre Einführung 
') Vgl. Heinrich Brunner, Deutsche Rechtsgesohiohte, I, 206. 
2 ) Vgl. Monumenta Germaniae historioa, XX, 412, 413. •— Hermann 
Schulze, Das Recht der Erstgeburt in den deutschen Fürstenhäusern usw. 
Leipzig 1851. S. 213. — L. Brentano, Über Anerbenreoht und Grund 
eigentum, Berlin 1895. S. 5. — Derselbe, Gesammelte Aufsätze I, 
Erbrechtspolitik. Alte und neue Feudalität. Stuttgart 1899. S. 404 ff. und 
a. ä. O.
	        
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