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Eltern. Und zweitens haben nur 23 % der landwirtschaftlichen
und ein noch viel geringerer Prozentsatz der Gesamtbevölkerung
des Deutschen Reiches ein wirkliches Interesse an hohen Ge
treidepreisen. Ferner malt man uns das Gespenst des Aus-
hungerns im Kriegsfall an die Wand, wenn Deutschland seinen
ganzen Getreidebedarf nicht selbst erzeugen könne. Das ist
gänzlich hinfällig. Denn schon in Friedenszeiten haben wir
nicht genug Arbeiter, um unsere Felder zu bestellen, namentlich
in den eigentlichen deutschen Getreidebaugegenden. Nach
der Mitteilung des Generalsekretärs der Landwirtschafts
kammer von Pommern, Dr. von Stojentin, sind gemäß dem
Bericht der Feldarbeiterzentrale vom 1. Januar bis 1. Oktober
1909 565 000 legitimierte ausländische Arbeiter aus dem Osten
mit der Bestellung der Felder in Deutschland beschäftigt ge
wesen. Das ist eine Zahl, größer als diejenige, auf welche im
Laufe des Jahres 1915 die Ziffer der Gemeinen, Gefreiten und
Obergefreiten im deutschen Heere erhöht werden soll. Auch
der agrarische Professor Max Sering muß zugeben, daß
wir selbst im Frieden vom guten Willen unserer östlichen Nach
barn abhängen, ob wir unsere Felder bestellen und ernten
können.
Wie aber soll es erst in einem großen Kriege werden,
wenn sämtliche Männer, die nach den bestehenden Gesetzen
irgendwie dienstpflichtig sind, gleichviel ob wir sie mit
Oberst von Renauld auf 10,2 oder mit anderen auf 4—5
Millionen beziffern, eingestellt würden? Wer sollte dann unseren
Getreidebedarf erzeugen? Schwächlinge, Frauen und Greise,
wie es zu Tacitus Zeiten bei den alten Germanen üblich war.
Die 64,7 Millionen des heutigen Deutschlands aber müßten bei
dieser Methode einfach verhungern. Und eben mit der Not
wendigkeit, die Zufuhr des von uns benötigten Getreides im
Kriegsfall zu sichern, hat man seinerzeit die Vermehrung unserer
Flotte begründet.