Full text: Inlandskapital, Auslandskapital, Kriegstribute

I. Übermäßige Lohnsteigerungen seit der Stabilisierung. 25 
ringe Entlohnung die deutschen Arbeiter an der Kapital- 
bildung hindere. Vor allem gilt das für die Zeit vor 
dem Kriege nicht. Aber noch heute beweist der unge- 
heure Tabakkonsum, der immer noch sehr große Al- 
koholverbrauch — es wird für Bier pro Kopf der Be- 
völkerung noch ebensoviel ausgegeben wie vor dem 
Kriege — und vieler anderer auch keineswegs unent- 
behrlicher Güter durch die ärmeren Schichten der Be- 
völkerung, daß hier sehr wohl gespart werden könnte, 
wenn nicht den Arbeitern das Interesse dafür durch die 
erwähnten Umstände sehr vermindert worden wäre. 
Weite Schichten der Bevölkerung sind aber so wenig 
kapitalistisch eingestellt, daß auch der außerordentlich 
hohe Zinsfuß sie nicht zur Kapitalbildung ‚veranlaßt, 
Freilich wirken auch die Erfahrungen der Inflationszeit 
noch nach. Und andererseits ist eine gewisse Besserung 
zu verzeichnen, die sich aus der Zunahme der Spar- 
kassenguthaben ergibt. 
Gewiß ist es bei der Kulturhöhe der deutschen Ar- 
beiterschaft bedauerlich, daß ihnen ihr Lohn nicht die 
gleiche Lebensführung ermöglicht wie in anderen 
reicheren Ländern. Aber das ist eben die Folge des 
Krieges und der fortgesetzten Steigerung der öffent- 
lichen Aufgaben und Ausgaben, die gerade diese Kreise 
noch immer weiter erhöhen wollen. Die Meinung, daß 
die sogenannten Reparationslasten nur durch die „Ka- 
pitalisten“ getragen werden könnten und die Arbeiter 
nicht berührten, beruht gerade auf jenen falschen Theo- 
rien über das Kapital, die noch heute in der deutschen 
Arbeiterschaft herrschend sind. Der hohe Zinsfuß ist 
aber nichts anderes als die automatische Reaktion des 
Wirtschaftslebens gegen diese Auffassung, und den Ar- 
beitern kommt erst ganz allmählich zum Bewußtsein, 
wie sehr er auch ihnen schadet. Die Meinung mancher 
Sozialisten, daß das fehlende Inlandskapital einfach 
durch ausländisches ersetzt werden könne, wird unten 
(Kapitel 7) als irrig nachgewiesen werden.
	        
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