26 2. Kapitel. Kapitalbildung und Löhne,
Tatsächlich beruht der heutige Kapitalmangel zu
einem wesenflichen Teile auch darauf, daß die Arbeiter
die Reparationslasten und auch die sonstigen ungeheuer
gewachsenen Staafsausgaben noch nicht in entsprechen-
dem Umfange mitgetragen haben. Sie haben in der Zeit
seit der Stabilisierung der Mark bei wachsenden Re-
parationsleistungen immer höhere Löhne durchzusetzen
verstanden. Der Stundenlohn ungelernter Arbeiter ist
von 44,2 Pfennig Anfang 1924 (40,2 Pfennig 1913) auf
81,2 Pfennig Anfang 1929 gestiegen, also eine Steige-
rung von 86%, während der Gesamtindex der Lebens-
kosten nur von 1530 auf 153 gestiegen ist, also eine Stei-
gerung von noch nicht 20 %. Selbst im Depressionsjahre
1929 ist noch eine weitere Steigerung des Lohnes von
81,2 auf 83,9 und bei den gelernten Arbeitern von 108,1
auf 111,4 erfolgt. In den drei Jahren 1927 bis Ende 1929
ist eine Steigerung des Stundenlohnes ungelernter Ar-
beiter von 66,7 Pfennig auf 83,4 Pfennig, gelernter Ar-
beiter von 94,9 auf 111,4 Pfennig erfolgt.
Bekanntlich sind diese Löhne zu einem großen Teil
„politische“ Löhne, das heißt sie sind durch die Gewerk-
vereine gefordert und von den Schlichtungsinstanzen im
Interesse der Erhaltung des sozialen Friedens genehmigt
worden, ohne Rücksicht auf die wirfschaftlichen Ver-
hältnisse. Die Folge davon war, daß die Unternehmer
mit allen Mitteln die Rationalisierung zu fördern
suchten, die in der Regel eine Verminderung der Be-
schäftigung von Arbeitskräften und den Übergang zu ka-
pitalintensiverem Betriebe bedeutet. So haben die Ar-
beiter durch ihre übermäßigen Lohnforderungen nur er-
reicht, daß die Nachfrage nach Kapital sich verstärkte
und gleichzeitig die Zahl der Arbeitslosen immer mehr
zunahm.
Vorübergehend wurde die Arbeitslosenzahl zwar
zurückgedrängt durch eine Scheinkonjunktur, die 1926
und 1927 durch eine ungehemmte Heranziehung von
Auslandskapital herbeigeführt wurde. Von kurzsichtigen