Full text: Allgemeine Gesellschaftslehre

2 
VII. Kapitel. 
unterscheidet sich also vom „Vertrage“ dadurch, daß die letztere Be- 
ziehung dadurch begründet ist, daß jeder der beiden bezogenen Seelen 
ein Behauptungs-Seelenaugenblick zugehört, in welchem sie auf den 
Glauben des Anderen zielt, daß der Behauptende sich wegen einer 
eingetretenen Verpflichtung in besonderer Weise verhalten werde, 
während die erstere Beziehung dadurch begründet ist, daß jeder der 
beiden bezogenen Seelen ein Behauptungs-Seelenaugenblick zugehört, 
in welchem sie auf den Glauben des Anderen zielt, daß der Behaup- 
tende sich aus anderem „Motive“ in besonderer Weise verhalten 
werde. Die Gegebenen „Vertrag“ und „Verabredung“ werden häufig 
verwechselt. So sind z. B. zahlreiche sogenannte „völkerrechtliche Ver- 
:räge“ lediglich „Verabredungen“, durch welche keine „Verpflichtungen“ 
degründet werden, was aber nicht ausschließt, daß die Verabredenden 
ein. sehr starkes Interesse an der Einhaltung der Verabredung haben. 
Die Behauptung, daß die sogenannten „völkerrechtlichen Verträge“ mit 
siner „clausula rebus sic stantibus“ geschlossen sind, sagt, richtig ver- 
standen, nichts anderes, als daß eben nur „Verabredungen“ vorliegen, 
daß also die Parteien besonderes Verhalten nur bis zu jenem Zeitpunkte 
in Aussicht gestellt haben, in welchem ihr Interesse an solchem Ver- 
nalten fortfallen wird. „Vertrag“ und „Verabredung“ sind besondere 
Arten der „Vereinbarung“. Eine dritte Art der „Vereinbarung“ ist 
die „Vereinbarung mit einseitiger Versprechung“, eine Be- 
ziehung zweier Seelen, welche dadurch bedingt ist, daß jemand einem 
Anderen ein Anbot stellt und der Andere es annimmt, wobei sich aber 
nur entweder im Anbote oder in der Anbot-Annahme eine Versprechung 
ündet, 
Eine sehr wichtige Art der Anträge sind ferner die „mit einer 
Entscheidungs-Quasi-Frage verbundenen Anträge“, die 
wir auch kurz „Quasi-Frage-Anträge“ nennen können. Mit einem 
„Quasi-Frage-Antrage“ wird nun erstens ein Anspruch erhoben, 
daß der Adressat innerhalb eines besonderen Zeitraumes entweder 
die eine oder die andere von zwei besonderen Behauptungen auf- 
stelle und wird zweitens ein Antrag gestellt, daß der Adressat 
nur eine von diesen zwei Behauptungen aufstelle, Mit einem solchen 
Antrage wird also stets darauf gezielt, daß der Adressat nur eine 
von jenen Behauptungen aufstelle, welche in dem mit dem Antrage 
verbundenen Anspruche disjunktiv beansprucht werden, und der 
Grund für solche mit einem Antrage verbundene „Entscheidungs-Quasi- 
Frage“ liegt stets darin, daß der Antragsteller Unlust an seinem Zweifel 
hat, ob sein Antrag angenommen werden wird und meint, die Macht 
zu haben, den Adressaten durch Anspruch zur Behebung seines Zweifels 
innerhalb bestimmten Zeitraumes veranlassen zu können. Jenem, der 
einen „Quasi-Frage-Antrag“ stellt, gehören also zwei Verhalten-Seelen-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.