Full text: Die drei Nationalökonomien

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noch in der des Zufalls liegt, sie jemals zu ändern.‘ Diese frucht- 
baren Keime sind dann leider unter dem Wust einer Hegelschen 
Metaphysik erstickt und nicht zur Entfaltung gelangt. 
Eine schlimme Konfusion ist dann wieder einmal in unserer 
Wissenschaft dadurch angerichtet, daß man mit der wissenschaft- 
lichen Nationalökonomie einen völlig andersartigen Stoff: die alte 
Kameralistik zu einem einheitlichen „System“ zusammenordnen 
wollte und nun einen praktischen von einem theoretischen Teil 
unterschied und diese beiden Teile mit den beiden anderen, dem 
allgemeinen und dem speziellen durcheinandermengte. So sind denn 
die Ungeheuer entstanden, die sich in den Vorlesungsverzeichnissen: 
Allgemeine und (oder) theoretische, Spezielle und (oder) praktische 
Nationalökonomie oder gar Volkswirtschaftslehre nennen. Ich komme 
darauf noch einmal zurück. 
Hier müssen wir noch kurz der dritten Unterscheidung gedenken, 
die man in dem Stoffgebiet der Nationalökonomie vornimmt 
IH. nach den bevorzugten Arbeitsideen. 
Unter diesen sind es vornehmlich die Idee der Tauschgesellschaft und 
die der Volkswirtschaft, die geradezu zur Ausbildung zweier verschie- 
dener Disziplinen Anlaß gegeben haben. Man nennt jetzt die eine 
üblicherweise Sozialökonomik und sollte sich daran gewöhnen, die 
andere Volkswirtschaftslehre zu nennen. Von diesen beiden 
Zweigen unserer Wissenschaft ist der eine, die Sozialökonomik, fast 
allein zur Blüte gelangt, vor allem durch die Pflege, die ihm die „Klas- 
siker‘“ und die Sozialisten haben zuteil werden lassen, während der 
andere Zweig, die Volkswirtschaftslehre, in der Entwicklung stark 
zurückgeblieben ist, nachdem er in der Lehre der Merkantilisten einen 
so vielversprechenden Trieb gemacht hatte. Die Volkswirtschaftslehre 
war die erklärte Liebe der Adam Müller und Friedrich List, und 
ein Teil ihrer Gegnerschaft gegen „die Schule“ erklärt sich aus der 
Hinneigung zur volkswirtschaftlichen Betrachtung des Wirtschafts- 
lebens. Jetzt pflegen diesen Zweig in Deutschland vor allem Othmar 
Spann, Friedrich Lenz%*, Edgar Salin. 
24 Friedrich Lenz, Macht und Wirtschaft. I. 1916; derselbe, Aufriß der 
politischen Ökonomie. 1927. 
I *
	        
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