völkerung wirkten, sondern schlug vielmehr vor, das Problem
durch Auswanderung, die in Erythräa und Addis Abeba
ihr Ziel haben sollte, zu lösen. Obwohl Nahoum nicht
von der palästinensischen Herkunft der Falaschas über—
zeugt war, beobachtete und beschrieb er viele Einzelheiten
in ihrem Leben, die ganz dem mosaischen Gesetz entsprechen.
Was von den Juden in der großen Welt für das ihnen
verwandte Volk in Abessinien getan worden ist, wird aufge—
wogen durch das, was christliche Missionare in ihrem Be—
mühen, es von seinem alten Glauben abzubringen, geleistet
haben. Seit siebzig Jahren, nur gelegentlich unterbrochen
infolge feindseliger Haltung der Herrscher, hat die Londoner
Mission für die Bekehrung der Juden Sendboten im Fa—
lascha⸗Distrikt unterhalten. Die ersten waren Flad und
Aron Stern, die 1859 mit ihrer Tätigkeit begannen. Auf
sie folgte ein jüngerer Flad, der sich so völlig das Vertrauen
höchster Stellen im christlichen Abessinien erwarb, daß er
heute, nachdem er sich nach der Schweiz zurückgezogen hat,
mit der Aufgabe betraut worden ist, die Tochter Ras
Taffaris zu erziehen. Des älteren Flad Buch: „Sechzig
Jahre Falascha-Mission“ interessiert mich ebenso stark wie
der Bericht des Rabbiners Nahoum; nicht wegen seiner
religiösen Ansichten, sondern zum Studium der Frage, ob
die Falaschas wesentlich Juden sind oder nicht.
Das bei mir bereits vorhandene starke Interesse hatte
meinen Blick für die Beobachtung geschärft, als ich bei dem
Vertreter der Londoner Mission in Jenda eintraf. Baur
war ein warmherziger und unterrichteter Gastgeber. Er
zeigte sich bereit, mich überall hinzuführen, zu dolmetschen
und mir alles zu erklären. Wir waren von Falaschas um—
geben; die meisten von ihnen in Jenda selbst waren zum
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