§ 1. Heimarbeitausftellungen
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Achtes Kapitel
Hilfe von aussenstehenden Kreisen
Die Not der Heimarbeiter hat von jeher wohlhabende und wohltätig gefinnte
Menfchen, insbefondere auch hochftehende Per jenen, Männer und Frauen aus
fürftlichen und adeligen Gefchlechtern, veranlagt, dem Elend durch materielle
Unterftützung, durch erzieherifche und ausbildende Förderung zu fteuern.
Die getroffenen Maßnahmen waren, wie die Nachwirkungen in fpäterer Zeit
gezeigt haben, mehr oder weniger glücklich. Als aber die Kunde von der Heim
arbeiternot mehr und mehr ins Volk drang, ergriff ein ftarkes Mitgefühl weitere
Gefell{chaftskreife, die nun ihren Wohltätigkeitsfinn auch den Heimarbeitern
zuwandten. Allmählich trat auch deutlicher die foziale Pflicht vor die Seele,
einer darbenden Menfchenklaffe zu helfen, mit der nicht blojz die Volks
zugehörigkeit, fondern vielfach obendrein noch der wirtfchaftliche Zufammcn-
hang verband.
§ 1. Heimarbeitausftellungen
Der Gedanke, die Kunde von der Heimarbeiternot, die Vorbedingung zu
jeder Hiifsbereitfchaft, durch eine Ausheilung recht weit ins Land hineinzu
tragen, tauchte zuerft auf bei den Veranftaltern des Heimarbeiterfchutz-
kongreffes, der im März 1904 in Berlin ftattfand. Der Kongrejz war aber faft
nur von fozialdemokratifchen Vertretern befchickt und fand fchon aus diefem
Grunde nicht jene allgemeine Beachtung, welche der Verhandlungsgegenftand
verdient hätte. Die mit dem Kongrefz verbundene Ausftellung war von ge
ringelt» Umfange und gelangte zu keiner Bedeutung.
Der an fich fruchtbare Gedanke wurde nun aber von weitern fozial inter-
effierten Kreifen lebendig erfajzt und erwogen. In den Wintermonaten des
Jahres 1906 bereiteten Sozialpolitiker und Volksfreunde der verfchiedenften
Richtungen in Berlin eine Ausftellung ganz eigner Art vor — die er ft e
Heimarbeitausftellung — um das richtige Verftändnis für die
allerdings vielverbreitete, aber häufig in fcheuer Zurückgezogenheit lebende
Heimarbeit in weite Volkskreife zu tragen. Die Ausftellung war, als erft