4
den Schilderungen der Ilias und Odyssee kennen
lernen. Auch werden die internationalen Händler
wohl jene Dinge bevorzugt haben, bei denen das
Risiko dadurch verringert wurde, daß der jähr
liche Zuwachs, der auf den Markt geworfen
wurde, klein war im Verhältnis zur Gesamt
heit der betreffenden Ware. Wenn z. B. die
Getreideernte eines Jahres doppelt so groß ist
als die des vorhergehenden, so merkt man
das an den Preisen sehr deutlich; wenn die
Goldernte doppelt so groß ist als im vorher
gehenden Jahr, so merkt man das weit weniger,
weil dieser Zuwachs nur wenig gegenüber den
immer im Verkehr befindlichen Goldmassen ins
Gewicht fällt. Schließlich werden die Händler ge
merkt haben, daß sie durch das Aufbewahren
von Fertigfabrikaten ein größeres Risiko liefen,
als durch Aufbewahrung von Rohstoffen. Rohes
Silber ließ sich jederzeit in eine Spange oder
in eine Scheibe verwandeln. Aber was sollte
der Händler tun, wenn Silberbroschen gesucht
wurden und er nur bearbeitete Spangen hatte?
Das Ergebnis wird gewesen sein, daß er unver
arbeitetes Silber vorzog. Auf diese und ähnliche
Weise wurden wohl die Metalle die wichtigsten
internationalen Zahlungsmittel. Die Entstehung der
Münze, des geprägten Metalls, fällt in eine weit
spätere Periode. Die Einführung gemünzten
Geldes war anfänglich von geringer, rein ver
kehrstechnischer Bedeutung. Von wirklicher
Wichtigkeit war erst die Schaffung minderwer
tiger Münzen. Das Geld setzte zunächst keine
Organisation voraus. Es vermittelte den Verkehr
zwischen Menschen, die einander nie mehr nahe
traten, wohl gar Ländern angehörten, die mit
einander im Kriege lagen. Das Edelmetall war
dort ein Bindeglied, wo eine staatliche oder ge
sellschaftliche Ordnung fehlte.
Wie wirkten nun solche Vorgänge auf das
Inland zurück? Die Händler waren nun darauf
bedacht, im Inland sich die für den internationalen
Handel nötigen Tauschmittel zu verschaffen und
immer häufiger suchte man sich wohl im Inlande
im gewöhnlichen Leben durch die Veräußerung
von Waren des internationalen Handels Güter
zu verschaffen. Die Zahlungsweise, welche im
ungeordneten internationalen Verkehr notwendig
war, fand langsam auch im nationalen
Zahlungsverkehr Eingang, wo sie nicht not
wendig war. Eine weit höhere Organisation,
die auf der staatlichen Ordnung basierte, die
entstehende Großnaturalwirtschaft, wurde
durch eine Umsatzform verdrängt, die für Feinde und
Fremde geschaffen worden war. Das Geld, welches
auf dem internationalen Markte die Fernsten
einander annäherte, entfernte nun im Inlande die
Nächsten voneinander. Menschen aus verschiedenen
Ländern, die einander gar nicht kannten,
wurden einander angenähert, aber Brüder be
gannen im Inlande einander nun wie fremde
Kaufleute anzusehen und handelten darnach. Es
ist hier nicht der Ort, die eigenartige Doppel
funktion des Geldes näher darzustellen, wie es
einerseits verbindet, anderseits trennt, aufbauend
und zersetzend wirkt. Das Gesagte dürfte wohl
genügen, um zu zeigen, daß man der Geld
ordnung an sich kritisch gegenüberstehen
und vor allem bei Erörterung prinzipieller kriegs
wirtschaftlicher Fragen sich davor hütten müsse,
sie als eine Selbstverständlichkeit hinzunehmen.
Seine Hauptfunktion hat das vollwertige
Metallgeld dort, wo Vertrauen oder
Organisation oder beide zugleich
mangeln.
Allmählich aber beginnt das Geld eine neue
Wandlung durchzumachen, es wird wieder ein
Etwas, das der organisierenden Kraft der Gesell
schaft unterliegt. Wir können uns ein Bild von
dieser Wandlung machen, wenn wir uns in das
Feldlager eines antiken Heeres versetzen. Der
Feldherr hat von zu Hause zu wenig Sold be
kommen. Er prägte nun z. B. neues Geld aus,
das die alte Bezeichnung führte, aber weniger
Edelmetall enthielt. Der neue Denar hatte z. B.
nur halb so viel Gold als der alte. Nichtsdesto
weniger verkündete der Feldherr, daß alte
Schulden mit den neuen Denaren gezahlt werden
könnten, daß die Händler die neuen Denare so
wie die alten anzunehmen hätten, daß aber sie
ihrerseits wieder ihre Abgaben in neuen Denaren
leisten könnten. Diese Maßnahmen bewährten
sich und fanden vielleicht Verbreitung im ganzen
Lande. Es schien ein Mittel gefunden, den Güter
umsatz mit weniger Edelmetall als bisher zu er
möglichen. Vor allem aber konnte die Regierung
sich jederzeit Geld verschaffen, indem sie aus
einer Anzahl alter Geldstücke eine größere An
zahl neue prägte. Die ersten Schwierigkeiten
ergaben sich wohl im internationalen Ver
kehr. Wenn einer der Krieger in Damaskus dem
Araber neue Denare als Zahlung anbot, zog dieser
wohl seine Wage heraus, um sie zu wiegen. Für
ihn sind die Denare Dinge, die daheim um
geschmolzen werden, um als Schmuck zu dienen,
er nimmt sie nur, insoferne sie Gold enthalten,
der Name, den die Münzen führen, ist ihm gleich-
giltig, ebenso ob man damit im Staate, der sie
geprägt hat, Schulden zahlen kann oder nicht.
Wenn der Soldat nun mehr Denare als früher für
ein Pferd zahlen mußte, mag er wohl über
Fälschung geklagt haben. Und so gelangt
bereits das Altertum zu zwei Standpunkten,
der eine sieht in der Münze ein Ding, das seine
Kaufkraft dem Metallgehalt verdankt, der andere
dieht darin ein Ding, das seine Kaufkraft staat
lichen Verfügungen verdankt. Beide hatten recht,
sie einen, soferne die Münze als inter
nationales, die anderen, soweit sie nur als
nationales Zahlungsmittel in Anspruch ge
nommen wurde.
Vollwertiges Geld, das ist solches, für das
man sich ungefähr so viel Metall kaufen kann,
als in ihm enthalten ist, konnte jederzeit auch
national verwendet werden; das minderwertige