Full text: Einführung in die Kriegswirtschaftslehre

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genügend bewußt, oder zieht daraus nicht die 
Konsequenzen. Oesterreich-Ungarn muß heute 
alle Kräfte anspannen, um nicht ins Hintertreffen 
zu kommen. Es ist fast beleidigend, wie man 
in den Kreisen hoher deutscher Beamten, die 
mit dem auswärtigen Dienst zu tun haben, über 
Oesterreich - Ungarns Wirtschaftspolitik spricht. 
Das gleiche gilt von den Chefs der großen Ban 
ken. Wie durch Kooperation der Armee mit der 
übrigen Bevölkerung dem einigermaßen abzuhelfen 
wäre, wird eine von Tag zu Tag drängendere 
Frage. Je größere Ansprüche die Armee im In 
teresse der Monarchie stellt, desto mehr wird sie 
unwillkürlich dazu gedrängt, sich mit der Gesamtbe 
völkerung eins zu fühlen, deren Sorgen und 
Nöten möglichst genau kennen zu lernen und an 
ihrer Beseitigung, soweit es an ihr ist, mitzu 
wirken. 
Durch Eingriffe der Armee in sozialpolitischer 
und wirtschaftspolitischer Richtung würden auch 
manche Gegensätze schwinden, die heute im An 
wachsen begriffen sind. Es ist zweifellos möglich, 
daß die Armee ihre Stärke durch eine Art Hyper 
trophie erhöhen kann, aber dauernd kann sie nur 
ein kraftvolles Organ des Staates sein, wenn 
sie der gesamten Organisation 
angepaßt ist. Ihre größte Förderung erfährt 
sie dann durch die Stärkung des Gesamtorga 
nismus, wie wir dies z. B. in Deutschland beob 
achten können. Wo die Grenzen zu ziehen sind, 
läßt sich freilich im Konkreten schwer fest 
stellen. 
Die Bemühungen, den gesamten sozialen 
Körper zu einer regern Produktion anzutreiben, 
werden zum Teil durch natürliche Eigenschaften 
der Bevölkerung, zum Teil durch organisatori 
sche Mängel gehemmt. Wie ich bereits zu Beginn 
dieser ganzen Darstellung hervorgehoben habe, 
leben wir in einer Ordnung, welche das Gespenst 
der sogenannten Ueberproduktion fürchtet und 
immer darauf losgeht, nur ja zu verhindern, daß 
nicht so viel produziert wird, als man verzehren 
könnte, da dadurch der Reingewinn sinken würde, 
und damit auch die Entwicklungsmöglichkeit der 
Industrie und Landwirtschaft. Wie dieser Orga 
nisationsdefekt zu beseitigen wäre, ist eine viel 
diskutierte Frage. Es ist nicht ausgeschlossen, 
daß der während eines Weltkrieges aufs höchste 
angespannte Rationalismus auch hier einen Aus 
weg findet. Denn darüber kann wohl kein Zweifel 
herrschen, der Staat, dem es während eines 
Weltkrieges gelingt, alle vorhandenen produktiven 
Kräfte aufs äußerste auszunützen, hat große Chan 
cen für sich. 
Ich will nun noch mit wenigen Worten die 
Wirkungen des Krieges auf die Marktpreise be 
rühren. Die einzelnen Warengruppen verhalten 
sich ungleichartig. Während die Nahrungsmittel 
preise leicht steigen können, dürften die Grund 
stückpreise meist plötzlich sinken. Erfahrungs 
gemäß ist der Grundstückmarkt in kriegerischen 
Zeiten den Grundstückverkäufern sehr ungünstig. 
Es wäre aber verfehlt, anzunehmen, daß auto 
matisch die geringere Nachfrage nach Grund 
stücken auch den Preis der Grundstücke senken 
muß. Ich hatte während des Balkankrieges Ge 
legenheit, in einigen Gegenden Syrmiens zu 
erfahren, daß die Grundstückpreise trotz der 
bedrohlichen Situation nicht gesunken waren, nur 
wurden Grundstücke seltener als sonst gekauft. 
Woher rührte diese Erscheinung? Die wohl 
situierten Bauern dieser Gegenden hatten es nicht 
unbedingt nötig, ihre Grundstücke zu verschleudern, 
und erklärten, zuwarten zu wollen, bis der Preis 
wieder in die Höhe gehe. Das heißt, im Kriegs 
fall wird im allgemeinen bei konstantem Umsatz 
von Grundstücken der Preis sinken, bei ab 
nehmendem aber eventuell der Preis gleich 
bleiben. 
Während die Veränderung der Grundstück 
preise im allgemeinen nur kleine Kreise der Be 
völkerungtrifft, haben unter einer Erhöhung der Le 
bensmittelpreise alle schwer zu leiden. Abgesehen 
davon, daß infolge einer Absperrung der Zufuhr 
effektiver Mangel eintreten kann, ist mit der An 
sammlung von Vorräten durch die Armee und 
durch Privatpersonen zu rechnen, insbesondere 
aber mit den Bemühungen der Kaufleute, durch 
spekulative Anhäufung von Reserven und da 
durch erzeugte Preissteigerungen erhebliche Ge 
winne zu erzielen. Der Umstand, daß dieNahrungs- 
mittel von allen benötigt werden, legt der Re- 
gierüng die Kontrolle über den Lebensmittelmarkt 
überaus nahe.' Eine solche Kontrolle ist sowohl 
im Interesse der Armee, als auch in jenem der 
Zivilbevölkerung gelegen. Ich wies schon darauf 
hin, daß der Staat die Möglichkeit hat, Preistaxen 
zu erlassen, ln Oesterreich dient diesem Zwecke 
eine Bestimmüng der Gewerbeordnung, deren 
Anwendung bereits vor einiger Zeit ernstlich in 
Erwägung gezogen wurde. Freilich bezieht sich 
diese Bestimmung nur auf die Erlassung von 
Preistaxen für den Kleinhandel. Aber es ist klar, 
daß, wenn der Kleinhandel bestimmte Maximal 
preise nicht überschreiten darf, er auf den Groß 
handel drückt und ihn zur Herabsetzung der 
Preise zwingt. In Serbien und Bulgarien wurden 
während des Balkankrieges Preistaxen verhängt 
und deren Durchführung zum Teile mit großer 
Strenge erzwungen. Wir sehen auch auf diesem 
Gebiet, daß der Staat im Kriegsfall eine größere 
organisierende Kraft als im Frieden entfalten 
dürfte, selbst wenn er nicht dazu schreiten sollte, 
die Nahrungsmittel oder wenigstens die wichtigsten 
derselben selbst zu verkaufen und sie dem Privat 
umsatz ganz zu entziehen. 
Mit wenigen Worten will ich den Einfluß der 
Rüstungen und der Kriegsführung auf die Ver 
kehrsmittel streifen. Wir sehen, daß in allen 
Staaten ein nicht unerheblicher Teil der Eisen 
bahnlinien entweder vorwiegend, aus strategischen 
Gründen erbaut wurde, oder mindestens bei der 
Errichtung auf strategische Momente Rücksicht 
genommen wurde. Wenn Eisenbahnlinien nicht 
allen strategischen Anforderungen entsprechen,
	        
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