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Das Reichspostmuseum.
der Stadt aufgelieferten, nach auswärts bestimmten Depeschen erreicht, sondern auch eine
bedeutende Ersparnis an Arbeitskräften erzielt. Außer den Telegrammen werden mit
der Rohrpost aber auch Postkarten und Briefe befördert, welche letztere jedoch im einzelnen
das Gewicht von 10 g nicht überschreiten dürfen. Die Beförderungsgebühr für einen
Rohrpostbrief beträgt 30 Pfennig, für eine Rohrpostkarte 25 Pfennig. Im Jahre 1898
hat die Zahl der Rohrpostsendungen in Berlin sich auf 6 235 505 Stück belaufen, wovon
5002 688 Telegramme, die übrigen Briefe und Karten waren.
Rohrpostanlagen gibt es jetzt auch noch in verschiedenen anderen großen Städten
z. B. in Philadelphia, Liverpool, Birmingham, Manchester, Dublin, Glasgow u. a.
Vor etwa zehn Jahren tauchte das Projekt auf, England und Frankreich durch eine
Rohrpost zu verbinden. Die Röhren sollten aber nicht unterseeisch, sondern etwa 50 m
hoch über dem Meeresspiegel geführt und durch eiserne, auf dem Meeresgrunde fundierte
Pfeiler gestützt werden. Es war beabsichtigt, den Röhren eine solche Weite zu geben, daß
in ihnen der größte Teil der Korrespondenz zwischen England und Frankreich Beförderung
erhalten konnte. Als Betriebskraft war die Elektrizität in Aussicht genommen. Über die
Ausführung des Planes hat man jedoch in neuerer Zeit nichts mehr gehört.
Das Reichspostmnseum ist in dem an der Leipziger- und Mauerstraße gelegenen
Eckbau des Reichspostamtsgebäudes zu Berlin untergebracht, in dessen Lichthofe sich ein
Standbild des Schöpfers des Museums, Staatssekretärs von Stephan, erhebt. In den
Vorbemerkungen zu dem im Jahre 1897 neu herausgegebenen Kataloge wird als
Zweck der Sammlung hingestellt: „die Entwickelung des Verkehrswesens von den
Völkern des Altertums beginnend bis zur neuesten Zeit kulturgeschichtlich zu veranschau
lichen und den Beamten der Reichspost- und Telegraphenverwaltung bei ihren Studien
ein umfassendes Hilfsmittel für das Werden und die Fortbildung der Verkehrseinrich-
tungen zu schaffen". Der Katalog weist in 27 Abteilungen auf 575 Seiten alle Gegen
stände nach, welche teils aus Modellen oder Abbildungen bestehen, teils im Originale
vorliegen, darunter eine große Anzahl von Schriftstücken. Die Modelle sind aus Gips
oder aus Bleiguß gefertigt und die Abbildungen großenteils auf photographischem Wege
hergestellt. Die ersten fünf Abteilungen enthalten auf das Verkehrswesen im Altertum,
im Mittelalter, im 16., 17. und 18. Jahrhundert Bezügliches. In der sechsten Abteilung
werden uns die deutschen Posteinrichtungen im 19. Jahrhundert vorgeführt, und zwar
A. Gebäude, B. Gerätschaften für den technischen Postbetrieb, 6. Dienstkleidungen,
D. Postwagen für gewöhnliche Landwege und Ausrüstung der Pferde, E. Bahnpostwagen,
E. Postschiffe, G. Feldpostansrüstungen, H. Betriebsdienst und I. Gegenstände von all
gemeiner Beziehung auf das Verkehrswesen. Von besonderem Interesse ist die siebente
Abteilung, welche die ausländischen Posteinrichtungen und verwandten Verkehrsmittel im
19. Jahrhundert zur Darstellung bringt. Sv finden wir aus Belgien eine gußeiserne
Briefkastensäule; aus England das Modell einer vierspännigen ums Jahr 1840 ge
bräuchlich gewesenen Mailcoach; aus Dänemark die Abbildung eines Kugelpostwagens,
wie solcher in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts zur Briefbeförderung benutzt wurde;
aus Norwegen die Modelle von Segelbooten sowie einer zweiräderigen Karriole mit
sehr schmalem Sitz für nur eine Person und eines zweiräderigen Fuhrwerks (Kärra) mit
breitem Sitz und Wagenkasten; aus Rußland bildliche Darstellungen der Renntier- und
Hundepost, der Schlittenpost, des Postkarbas (Segelboot), der zweiräderigen grusinischen
Arba (Leitkarren mit Stieren bespannt); aus Afrika die Abbildung einer Wüstenpost
(Kamelreiter) nach einem Gemälde von Horace Vernet.
Einen besonders reichen und wertvollen Zuwachs erhielt das Postmuseum durch Mo
delle ostindischer Posteinrichtungen, welche von der britischen Postverwaltnng in
Ostindien aus Anlaß des Eintritts Indiens in den Weltpostverein dem Museum 1878
zum Geschenk gemacht wurden. Unter den originellen Modellen und Bildern aller Art
fallen am meisten auf ein Postsegelboot für den Golf von Bombay, ein Dugaut (Boot
mit runder Überdachung aus Schilf in drei Teilen), ein birmanisches Postboot mit vier
eckiger Schilfüberdachung und vor allem ein aus Bündeln getrockneter Kürbisse her-
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