Getreidezölle. 279
Es ist dies eine oft recht schwierig auszuführende und noch schwerer zu
kontrollierende Bestimmung. Namentlich für landwirtschaftliche Genossenschaften,
aber anch für Händler, die gleichzeitig auch mit inländischer „anderer Gerste"
handeln, sie mit ausländischer wohl auch mischen, wird das schwer zu machen sein.
Wie soll er von der Mischung erklären, daß sie mit 1,30 M. verzollt sei?
Weit gefährlicher ist noch die Bestimmung, daß die Zolldefraudation schon
dann als erbracht angenommen tvird, „wenn Gerste, die nach dem niedrigeren
Satze verzollt worden ist, oder aus solcher bereitetes Malz in die Räume
einer Brauerei gebracht oder dort vorgefunden wird, sofern die Einbringung
nicht mit Genehmigung der Zollbehörde erfolgt ist."
Von freisinniger Seite war vorgeschlagen worden, daß im Zweifelsfall
die Begutachtung der Gerste durch vereidete Sachverständige des Gersten
handels und der Brauerei erfolge solle und von deren unparteiischem Urteil
die Anwendung des niedrigen Zolles und die etwaige Unbranchbarmachung
zur Malzbereitung nach Wahl des Importeurs vorgenommen werden sollte.
Aber das genügte unseren Agrariern nicht; sie mußten eben Mittel ersinnen,
die alle Teile, vor allem die kleinen Landwirte schädigen.
Getreidezölle.
a) Entwicklung der Getreidekonjnnktnr.
In der zweiten Hälfte der 40 er Jahre des abgelaufenen Jahrhunderts
begann ein starkes Steigen der Getreidepreise auf dem Weltmarkt und
infolgedessen auch auf dem damals auf Getreideausfuhr stark angewiesenen
deutschen Markt. Die Folge war eine Ausdehnung des Getreidebaus und
Hand in Hand damit der Auskauf der Bauern, bei denen der Schwer
punkt der Wirtschaft in Vieh- und Geflügelzucht, in Milchwirtschaft, Obst und
Gemüsebau besteht, und die im Getreidebau nicht vorteilhaft mit dem
Großbetrieb konkurrieren können. Für die großen Güter aber begann
mit den steigenden Getreidepreisen eine glänzende Zeit.
Es kostete in Preußen der
Roggen im
Durchschnitt der Jahre
1821—1830 . .
. . 86,8
M. pro Tonne
1831—1840 . .
. . 100,6
„ „ „
1841—1850 . .
. . 123,0
„ „ „
1851—1860 . .
- . 165,4
n n tf
1861-1870 . .
. . 154,6
ff tf ff
1871—1875 . .
. . 179,2
tf ff ff
Es kostete durchschnittlich
Gerste
Weizen
Hafer
1821—1830 . - - 76,6
121,4
79,8 M. pro Tonne
1831—1840 . . . 87,6
138,4
91,6 „ „
1841—1850 . . - 111,2
167,8
100,6 „ „ „
1851—1860 . . . 150,2
211,4
144,0 „ „
1861—1870 . . . 146,0
204,6
140,2 „ „
1871—1875 . . . 170,8
232,2
163,2 „ „