11
Die Herren sind damit einverstanden. Ich gebe also Herrn
Dr. Heyn das Wort zu seinem Referat über
FRANKREICH.
Berichterstatter Dr. Heyn - Nürnberg: Meine Herren! In dem
Friedensvertrage zwischen Deutschland und Frankreich vom 10. Mai 1871
finden wir nur wenige Bestimmungen, die sich mit den Handelsbe
ziehungen beider Staaten nach dem Kriege beschäftigen. Die wichtigste
ist der vielbesprochene Artikel XI, in dem - auf Betreiben Frankreichs —
die ewige Meistbegünstigung, allerdings mit der Beschränkung auf die
an England, Belgien, Niederlande, Schweiz, Österreich und Rußland
gewährten Begünstigungen, festgesetzt wurde. Daneben wurden die früher
mit dem Deutschen Zollverein und verschiedenen Einzelstaaten ab
geschlossenen Sonderverträge wieder in Kraft gesetzt und spezielle
Bestimmungen über die Schiffahrt auf den beide Staaten verbindenden
Flüssen und Kanälen sowie über den Grenzverkehr getroffen. Deutsch
land hatte damals an weitergehenden Vereinbarungen noch kein Interesse.
Unser Außenhandel, namentlich unsere Ausfuhr an Industrieerzeugnissen,
war ja noch gering; die den Welthandelsverkehr beherrschenden Grund
sätze waren diejenigen des Freihandels, und unsere Ausfuhr nach
Frankreich, die noch nicht einmal 200 Millionen Mark im Jahre er
reichte und hinter der französischen Ausfuhr nach Deutschland erheblich
zurückblieb, begegnete in Frankreich keiner Gegnerschaft. Wir hatten
damals in Frankreich noch keine schlimmen Erfahrungen gemacht und
hatten keinen Anlaß, solche für die Zukunft zu befürchten.
Ganz anders jetzt. Unsere Ausfuhr, namentlich an Industrieer
zeugnissen, hat sich gewaltig gehoben. Die Ausfuhr nach Frankreich
allein erreichte in den letzten vier Jahren vor dem Kriege 543 bezw.
599, 689 und 790 Millionen Mark; an die Stelle des Freihandels ist der
Schutzzoll getreten, und - was das Wichtigste ist - unserer Ausfuhr
nach Frankreich werden unter dem Drucke einer uns übelwollenden
Gruppe amtlich und nichtamtlich die größten Hindernisse in den Weg
gestellt. Letzteres geschieht nicht nur auf dem Wege der Erhöhung von
Zöllen, sondern man greift auch zu Zollschikanen — ich brauche Sie
nur an das famose Taradekret und die Vorschrift des »Importe d'Alle-
magne“ zu erinnern — und zum direkten Boykott, der der Masse des
Volkes durch eine einflußreiche Presse gepredigt wird. Unter dem
Einfluß des Krieges ist diese wirtschaftliche Bekämpfung Deutschlands
bis aufs höchste gestiegen. Dem politischen Kriege soll der Wirtschafts
krieg folgen, den die Franzosen unter Gründung einer Entente Econo-
mique zwischen den Vierverbandsstaaten und allen denjenigen anderen
Staaten, die sich anschließen wollen, bis zum äußersten zu führen ent
schlossen sind. Von Paris nach London, von London nach Petersburg
und von Petersburg nach Rom schalle der einmütige Ruf:'»Wir wollen