1. Die Geschichte der Arbeiterräte Deutschösterreichs.
Die Institution -er Arbeiterräte Deutschösterreichs ist die Frucht der
großen Politischen Streiks in den Jännertagen im Jahre 1918.,Der Jänner-
streik war eine gewaltige Solidaritätskundgebung der österreichischen Ar
beiter für die russische Revolution, die vom hohenzollerischen und Habsburgi
schen Imperialismus auf das schwerste bedroht war. Damals bildeten sich in
Wien und in einigen Städten Niederösterreichs nach dem Vorbilde des russi
schen Proletariats spontan Arbeiterräte, die jedoch nur vorübergehend un
mittelbare politische Wirksamkeit erlangten.
Die Arbeiterräte hatten vor allem die Aufgabe, eine innigere, unmittel
barere Fühlung zwischen den arbeitenden Massen in den Betrieben und der
Partei, den Gewerkschaften und den parlamentarischen Vertretungen des
Proletariats herzustellen. Ta das klassenbewußt^; Proletariat vor der
Novemberrevolution in der S o z i a ld e m o k rat i e a l l e i u organi
siert war, so vermochten die Arbeiterräte ihre revolutionäre Funktion als die
elementaren, die Partei und ihre Organe vorwärtstreibenden Kräfte zu
erfüllen.
Die deutschösterreichische Sozialdemokratie hatte ihre Parteieinheit im
Sturine des Krieges bewahrt. Wohl führte, wie in fast allen kriegführenden
Ländern, so auch in Deutschösterreich, die Stellung der Sozialdemokratie zur
Kriegsfrage zu einer schweren Erschütterung des Parteigefüges. Dank des
historischen Zufalles jedoch, der die Partei erst im letzten Kriegsjahre nötigte,
in aller Oeffentlichkeit vor dem Forum des Parlaments ihre Stellung zum
Kriege zu manifestieren, also zl, einer Zeit, als bereits die Klärung der
widerstreitenden Meinungen infolge der eindeutigen geschichtlichen Er
fahrungen zu einem Siege des internationalen Flügels der Sozialdemokratie
geführt hatte, lvurde die verhängnisvolle Spaltung der Partei vermieden.
Die Arbeiterklasse, die in der Sozialdemokratie organisiert ist, trat in
ungebrochener Geschlossenheit in die Revolution ein. Tie Probleme der
Revolution sind in Deutschösterreich überaus eindeutig bestimmt. Tie Taktik
der Partei ist das Resultat der tatsächlichen Machtverhältnisse, die mit
seltener Anschaulichkeit jedem denkenden Arbeiter bewußt sind. Es gelang
der Sozialdemokratiein unermüdlicher, zäher Arbeit, das Marimum des
politisch, sozial und ökonomisch Erreichbaron für die Arbeiterklasse ans der
Revolution zu pressen und soinit jede Zersprengung des Parteigefüges zu
vermeiden.
Die gewaltige Aüfrüttlung des politischen Bewußtseins des Prole
tariats und der proletarischen Intellektuellen in der Gefolgschaft dcs
Novemberumsturzes führte aber zur Bildung von kleinen proletarischen
Gruppen außerhalb der Sozialdemokratie, die sich bald eigene Organi
sationen schufen, von denen sich jedoch nur die kommunistische Parteiorgani
sation erhielt.
Jedoch so unbedeutend — gemessen an den gewaltigen Organisations
gebilden der Sozialdemokratie — die kommunistische Partei erschien und
so wenig diese proletarische Neubildung die Einheit der sozialistischen Grund-
anschauungen berührte, so nötigten immerhin die taktischen Differenzen znm