Die Bedeutung der Handelspolitik.
Seit mehreren Jahren interessiert man sich erfreulicherweise in den
breiten Volksmassen immer mehr für die Handelspolitik^ und ihre Aufgaben.
Das war leider nicht immer so. Die längste Zeit hindurch hielt man im Volke
die Handelspolitik für eine Sache der Regierung und der großen Herren,
ein Vorurteil, das in der Zeit geringerer Bedeutung unseres Handels und
daher auch der Handelspolitik der Bevölkerung angeboren wurde. Die Jahre der
Teuerung und der im Anschluß daran entfachten schweren Parteikämpfe haben
der Bevölkerung für die zoll- und handelspolitischen Fragen zwar Interesse,
leider nichtimmerauchdasrichtigeVerständnis beigebracht.
Und doch hängt von letzterem die richtige Entwicklung der Handelspolitik ab;
denn wer wollte heute noch daran zweifeln, daß die handelspolitischen Fragen
und Interessen heute ebensogut in die Hütte des Einödbauern wie in die be
scheidene Wohnung des großstädtischen Arbeiters, Gewerbsmanues oder
Beamten hineinreichen, daß infolgedessen die Entscheidung über die jeweils
schwebenden Fragen der Handelspolitik nicht von einem einzelnen, auch nicht
von wenigen, sondern getre gen von der Erkenntnis und der Willensmeinung
des ganzen schaffenden Volkes Österreichs erfolgen müsse.
Unser Vaterland ist heute schon ein Staat, in dem Landwirtschaft und
Industrie fast gleich stark nebeneinander stehen. Verlangt die Landwirtschaft
Schutz vor auswärtiger Konkurrenz und Förderung im Innern, so ist bie ■
Industrie neben dem gleichen Schutzbedürfnis mit einem großen Teile ihrer
Rohstoffe und Erzeugnisse auf den Weltmarkt (d. i. auf alle außerhalb
unserer Zollgrenzen liegenden Länder) angewiesen. Diesen ihr offen zu halten,
ist Ausgabe der Handelspolitik. Soll ein Aufschwung von Industrie und
Gewerbe ihren Arbeitermassen höhere Löhne und eine gesteigerte Lebens
haltung ermöglichen, sowie den Hunderttausenden unserer Auswanderer Arbeits
gelegenheit in der Heimat schaffen, dann mich bei den meisten Industrien
die W a r e n a u s f u h r gesteigert werden, da unser Vaterland heute schon nur
einen Teil dessen, was es erzeugt, auch selbst verbrauchen kann. Ein starkes
Interesse an der Förderung der industriellen Ausfuhr hat die k l e i n g e w e r b-
*) Unter Handelspolitik versteht man heute schlechtweg Theorie und Praxis des A u ß e n-
Handels. Der inländische Handel, die Fragen der Kleinkaufleute usw. fallen demnach nur
insoweit unter die Handelspolitik, als jene mit der Einfuhr und Ausfuhr von Waren zu
tun haben.