Full text: Ernährungswirtschaftliche Gegenwartsprobleme in Österreich

mit wirtschaftlichen Mitteln geführt wurde. Sie wollte im Sinne des 
Grundgedankens, welcher Walther Rathenau vorschwebte: Die Erfassung 
der Gesamtproduktion, eine gleichmäßige Aufteilung der produzierten 
Waren an die verbrauchende Gesamtheit unter Festlegung von Übcr- 
nahNs- und Abgabepreisen und eine den Verhältnissen entsprechende 
Einschränkung des Verbrauches. 
Dem Prinzip lag die Idee des „Durchhaltens" zugrunde, es 
war aufgebaut auf der Idee „gleiche Pflichten", „gleiche Rechte". Es 
setzte also von vornehereiu soziales Gewissen und Empfindung voraus, 
dessen Mangel im Kriege allerdings nur zu oft cinpfunden wurde. 
Die Idee ist in ihrer Durchführung zum großen Teile ge 
scheitert. Allerdings — ee ist kein Zweifel, daß ohne die staatliche 
Bewirtschaftung der Krieg nicht zwei Jahre zu führen gewesen wäre. 
Sicherlich — heute wird es jedermann als Glück betrachten, wenn 
der Krieg aus irgendwelchen Gründen, selbst durch eine Unterlassung 
der notwendigen wirtschaftlichen Maßnahmen, früher zu Ende gegangen 
wäre, denn schlechter hätte der Ausgang des Krieges auch nicht 
werden können. Aber man muß sich doch die allgemeine Mentalität 
ini Sinne des Durchhaltens von damals vor Augen halten und darf 
die Sachen nicht vom ex p08t-Standpunkte beurteilen. Bei der 
ungenügenden Produktion Österreichs und der ungenügenden Hilfe 
leistung Ungarns, wäre bei freiem Verkehr und freier Wirtschaft die 
Versorgung der Allgemeinheit im Kriege einfach undurchführbar 
gewesen. Bei der sich überstürzenden starken Nachfrage, dein kein oder 
nur geringes Anbot gegenüberstand, hätte ja der Handel seine Funktion 
der Verteilung gar nicht durchführen können. Die öffentliche Bcwirt- 
schaftnng ist nicht von Theoretikern ausgeklügelt und nicht in der 
Eonveuse der Bürokratie aufgezogen worden. Sic ist eine notwendige 
Kriegserscheinung gewesen, die ja auch in den Siegesländern durch 
geführt wurde, hat doch zum Beispiel Frankreich die straffste Bewirt 
schaftung des Getreides durchgeführt. 
Auch bei uns ist, was jetzt wissentlich oder unwissentlich ver 
gessen wird, " diese öffentliche Bewirtschaftung mit Beschlagnahme, 
Requisition und Höchstpreisen, als im Herbste des Jahres 1914 die 
Getreidepreise stiegen, von der gesamten Öffentlichkeit in Österreich 
gefordert worden. 
Daß die Zwangswirtschaft mit produktionswirtschaftlichen Nach- 
teilen verbunden war, wird niemand leugnen. Wenn aber der für die 
Kriegsverhältnisse an sich richtige Gedanke in seiner Durchführung zu
	        
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