Full text: Die Konsumtion

130 I. Buch B III: K. Oldenberg, Wirtschalt, Bedarf u. Konsum. § & 
spricht aber auch eine Massenfabrikation von geringer Haltbarkeit im Dienst der 
Mode. 
Ueber die Statistik des Wohnbedürfnisses vgl. den Abschnitt dieses 
Handbuchs über die Wohnungsfrage, und den folgenden Paragraphen. Hier sei nur 
erwähnt, daß eine Abnahme der Ueberfüllung großstädtischer Wohnungen, die 
man neuerdings konstatiert hat, mit dem Rückgang der großstädtischen Kinder 
zahl zusammenhängt; die kleinere Familie kann eine größere Wohnung bezahlen, 
und auf die erhöhte Zahl der Räume kommt eine verkleinerte Zahl von Köpfen. 
§ 6. Haushaltsrechnungen. 
Der Leser wird schon empfunden haben, daß die bisher vorgeführten! Zahlen 
ein unwirkliches Bild geben, weil sie grobe Durchschnittszahlen sind. Selbst bei 
Gütern allgemeinen Verbrauchs sind die Unterschiede enorm namentlich je nach 
dem Einkommen der konsumierenden Familie. Einen wirklicheren Einblick in die 
Konsumtion gibt erst das im vorigen Abschnitt nur gelegentlich herangezogene 
Rechnungsbuch der Familie, dessen wimmelnde Ziffern freilich auch wieder zu 
Durchschnitten, in erster Linie nach Einkommensstufen, zusammengefaßt werden 
müssen, um übersichtlich zu werden. 
Die Materialsammlung dieser Familienstatistik hat ihre Geschichte. Nachdem 
man schon am Ende des 17. und im 18. Jahrhundert in England und Frankreich 
wiederholt versucht hatte, auf mehr oder weniger konjekturaler Grundlage „Haus 
haltungsbudgets“ zu konstruieren, brachte um die Mitte des 19. Jahrhunderts das 
erwachende sozialpolitische Interesse eine reiche Ernte von Haushaltungszahlen 
der arbeitenden Klasse, und zwar mehr empirischer Art. Der erste internationale 
statistische Kongreß, Brüssel 1853, entwarf ein Erhebungsformular. 1855 veröffent 
lichte der Belgier Ducpetiaux sein großes Sammelwerk Budgets economiques 
des classes ouvrieres en Belgique, mit 199 Budgets von Vierkinderfamilien auf Grund 
einer Enquete, und mit dem Eingeständnis des manchesterlichen Verfassers ange 
sichts des von ihm aufgedeckten Massenelends: das laisser aller dürfe nicht in ein 
laisser souffrir, laisser mourir ausarten. Im selben Jahre 1855 erschien die erste 
Auflage der Ouvriers europeens L e P 1 a y’s, des großen Verherrlichers der sozialen 
Rolle der Familie; sie sucht auf Grund von 36 typischen Haushaltungsbudgets unter 
den mannigfachsten, in monographischer Breite beschriebenen Umständen den 
sozialkonservativsten und darum für gesunden Fortschritt zukunftsreichsten Typus, 
der Lebensführung einer Arbeiterfamilie. Sie ist später durch eine sechsbändige 
2. Auflage (1879) mit 57 Haushaltungsbudgets erweitert und zum Ausgangspunkt 
einer Schule geworden, die das Werk des Meisters durch die zwölfbändige Publi 
kation Les ouvriers des deux mondes (1856—1909) fortführt und auf mehr als 100 
Arbeiterfamilien ausdehnt. In Deutschland ist Leplays monographische Methode, 
jedoch ohne seinen sozialkonservativen Gesichtspunkt, besonders von Schnap 
per-Arndt liebevoll fortgebildet und rationalisiert worden. Die erste zusammen 
fassende Bearbeitung der Zahlen wurde von dem sächsischen Statistiker Ernst 
Engel 1857, spätere wurden von Hampke (1888), wieder Ernst Engel 
(1895) und Andern versucht. Die letzten Jahrzehnte haben eine Fülle neuen Mate 
rials zusammengetragen, dessen Aufzählung hier nicht möglich ist; darunter eine 
Anzahl neuerer Massenerhebungen. Von diesen zeichnet sich die jüngste englische- 
(1908—10) durch ihren internationalen Umfang aus, die neueste nordamerikanische 
(1904) durch die Zahl der verglichenen Familien (25 440), die deutsche für 1907 1 ) 
durch ihre sorgfältige Methode; ihrer Beschreibung des Haushalts von 852 minder 
bemittelten Familien (darunter 218 Familien kleiner Beamter und Lehrer) sind ge 
mäß einer Forderung Engels und Büchers nicht mehr Schätzungen oder kurzfristige 
0 2. Sonderheft des Reichsarbeitsblatts, 1909.
	        
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