Verlag von J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) in Tübingen.
Dr. HEINRICH RICKERT, Professor in Freiburg i. B., DIE GRENZEN DER
NATURWISSENSCHAFTLICHEN BEGRIFFSBILDUNG. Eine logische Einleitung
in die historischen Wissenschaften.
Zweite, neubearbeitete Auflage.
M. 18.—, gebunden M. 20.—.
Für diejenigen, welche das bedeutende Buch von der ersten Auflage her kennen, braucht
man zur Empfehlung dieser zweiten Auflage nichts zu sagen, als daß sie in der Fassung der
ausschlaggebenden Gedanken noch schärfer und bestimmter, in der Darstellung noch klarer
und schöner geworden ist. Eine solche Beherrschung des Ausdruckes bei aller Schwierigkeit
und Feinheit des Gegenstandes ist nur möglich, wenn dieser Gegenstand eben bis in alle Fein
heiten vollkommen durchgedacht und selber beherrscht ist.
Wer sich für die logischen Gründe der Wissenschaften und speziell für die logische Struk
tur der Geschichtswissenschaft interessiert — ich denke vor allen an Historiker, die ihre
Wissenschaft so ernst als möglich nehmen —, der darf an dem Buche nicht Vorbeigehen.
Es ist auch so geschrieben, daß man nicht Philosoph oder Logiker zu sein braucht, um es zu
verstehen. Basler Nachrichten vom 23. August 1913.
Dr. GEORGES CHATTERTON-HILL, Privatdozent in Genf, INDIVIDUUM UND
STAAT. Untersuchungen über die Grundlage der Kultur. M. 5.—.
Dem Verfasser entgeht es nicht, daß die Geschichte zeigt, daß der Patriotismus keineswegs
immer sich als genügender Damm wider die Fluten des Materialismus und der Plutokratie
bewährt habe. Rom und Griechenland gingen daran zugrunde trotz der patriotischen Gegen
wirkungen. Man begreift es daher, daß der Verfasser doch schließlich damit rechnet, daß
der Kampf der Völker der Gegenwart um die Behauptung ihrer Existenz zu einer Neu
belebung der Religion führen werde. Er glaubt derartige Bestrebungen bereits
wahrzunehmen, besonders auch in Frankreich.
Es ist interessant, daß ein so nüchterner Denker, wie Chatterton-Hill es ist, zu diesem Ge
danken kommt. Nicht irgendwelche mystische Bedürfnisse, nicht die Romantik des Ge
fühls, sondern die empirische Beobachtung der Geschichte führt den Verfasser zu der For
derung einer Rehabilitierung der Religion. Er sieht geradezu die Frage der Gegenwart darin,
ob man Mittel findet, der materialistischen und individualistischen Verwirtschaft-
lichung der Völker Motive einer V e rg e s e 11 s ch aft u n g entgegenzustellen. Und
er erblickt schließlich doch im nationalen Gedanken nur ein zweifelhaftes Surrogat für
die gesellschaftsbildende Macht der religiösen Idee.
R. Seeberg in der Kreuz-Zeitung vom 21. März 1914.
D. ERNST TROELTSCH, Professor in Heidelberg, Gesammelte Schriften. I. Band:
DIE SOZIALLEHREN DER CHRISTLICHEN KIRCHEN UND GRUPPEN.
M. 22.—, gebunden M. 26.—.
Der Heidelberger Theologe, dem wir die erste Geschichte des Protestantismus zu danken
haben, die den germanisch-konfessionellen durch einen universell-kulturgeschichtlichen Ge
sichtspunkt ersetzt und dadurch die Enge traditionell-kirchengeschiehtlicher Betrachtungs
weise grundsätzlich überwindet, bietet in dem neuen Werk, dem diese Anzeige gilt, den Unter
bau für seine Gesamtauffassung des Christentums, seines Wesens und seiner Geschichte, indem
er darin die soziologische Idee des Christentums in seinen verschiedenen Entwicklungsphasen
untersucht und gleichzeitig das Verhältnis des jeweiligen christlichen Gemeinschaftsideals
zu Staat, Wirtschaft und Familie darstellt. Das Problem ,,Kirche und soziale Frage“
hat in gewissem Sinne den Anstoß für diese umfassende Monographie gegeben, empfängt
darin auch eine erschöpfende Behandlung gleichzeitig aber noch eine starke Erweiterung
in dem angedeuteten Sinn. Wir finden ferner in dem verwirrend reichhaltigen Buche
eine Geschichte der christlichen Ethik unter prinzipiellen wie unter praktischen Gesichts
punkten, wobei insbesondere die Sozialethik in ihren sämtlichen Verzweigungen verfolgt
wird. Daraus erhellt schon, daß die Ueberschrift den Inhalt nur ungenügend andeutet,
zumal nicht nur die Lehren dargestellt, sondern vor allem die tatsächlichen sozialen Ein
wirkungen auf Staat und Gesellschaft untersucht und geprüft werden, ob und inwieweit
daraus eine „innere Einheitlichkeit des Gesamtlebens“ hervorgegangen ist.
Strassburger Post vom 2. April 1913.
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