Vorwort.
VII
Der Imperialismus wird gestützt oder geführt von einer mili
tärischen Macht zu Lande (Deutschland) oder allein zur See
(England vor dem Weltkriege). Während aber die Gefahren der mili
tärischen Gewalt für den allgemeinen Frieden und das wirtschaftliche
Wohlergehen der Völker bereits erkannt sind, ist die Erkenntnis von der
Gefährlichkeit und der Verwerflichkeit der wirtschaftlichen
Gewalt noch nicht durchgedrungen. Es muß erst tiefer erfaßt werden,
daß der wirtschaftliche Ausdehnungsdrang der Völker sich einer Reihe
von Methoden bedient, die als wirtschaftlicher Druck („pression econo-
mique“) von den wirtschaftlich ausgebeuteten Völkern empfunden werden.
Diese Mittel sind im Wettbewerb der Einzelpersonen bereits als
gemeingefährlich erkannt und als Erpressung, unlauterer Wett
bewerb oder Mißbrauch wirtschaftlicher Abhängigkeit (Wucher) strafbar.
Der wirtschaftliche Imperialismus trifft zeitlich mit einer Hoch
flut des nationalen Empfindens zusammen. Er ist von einzelnen
geradezu als die Betätigung des Volksbewußtseins auf wirtschaftlichem
Gebiete bezeichnet worden, was sich angesichts des überragenden Ein
flusses des internationalen Kapitals auf die wirtschaftliche
Ausdehnung aller führenden Völker als eine Übertreibung herausstellt.
Es kann aber nicht geleugnet werden, daß gerade Nationalstaaten, wie
England, Deutschland und Frankreich zu Hauptträgern des wirtschaft
lichen Imperialismus geworden sind. Auf der anderen Seite ist nicht zu
verkennen, daß der Nationalismus beim Gegner zum Hemmnis der
eigenen wirtschaftlichen Ausdehnung werden kann, wenn sich das Gefühl
der wirtschaftlichen Abhängigkeit eines ausgebeuteten Volkes zu einem
kräftigen nationalen Widerstand auf rafft. Sicher ist, daß sich im Weltkriege
der Begriff des „wirtschaftlichen Feindes" allgemein durchgesetzt
hat. Auch in dieser Vereinigung der nationalen und wirtschaftlichen Einzel
ziele zu einem höheren Kampfziel, in der Ausdeutung des „alien enemy“
ist England vorbildlich vorangegangen. Frankreich ist ihm sogleich,
Italien aus Gründen des allmählichen Überganges zögernd gefolgt; auch
die Mittelmächte haben sich, wenn auch nur im Vergeltungswege, der Be
kämpfung des wirtschaftlichen Volksfeindes nicht entziehen können. Es
fehlt nicht an bedeutsamen Anzeichen dafür, daß die Idee der Bekämpfung
des wirtschaftlichen Volksfeindes, so sehr sie in einzelnem Falle vielleicht
dem Streben nach wirtschaftlichen Vorteilen im internationalen Verkehre
widerstrebt, auch nach dem Ende des Weltkrieges andauern wird. Dem
vielfach erwarteten Wiederaufleben des alten Spieles von Angebot und
Nachfrage im Wirtschaftsverkehr der Völker steht das immer noch
wachsende N ationalbewußtsein entgegen. Dazu kommt die
wirksame Zusammenfassung aller und daher auch der wirtschaftlichen
Volkskräfte durch die Staatsgewalt. Gerade der Weltkrieg, der
hauptsächlich durch das wirtschaftliche Kampfmittel der Blockade zu