WANDERUNGS-VORGANG ELS.-LOTHR. BEVÖLKERUNGSGRUPPEN. 29
In diesem Zusammenhang sei noch auf die Auswande
rung von Elsaß-Lothringern im Jahre 1871 nach Frankreich
hingewiesen. Der von den Franzosen so viel bescholtene
Frankfurter „Gewaltfrieden“ hatte den Elsaß-Lothringern
bis 1873 Zeit gelassen, für Frankreich zu optieren. Die
Optanten mußten nach der Option Elsaß-Lothringen ver
lassen, ohne irgendeinen Verlust ihres Eigentums zu er
leiden. 159 729 Elsaß-Lothringer optierten von 1871 73
für Frankreich, aber nur 59 726 wanderten tatsächlich
aus. Die anderen Optionen wurden für ungültig erklärt 1 ).
Diese 59000 Elsaß-Lothringer hatten also 2 Jahre
Zeit ghabt, sich eine neue Existenz in Frankreich zu
suchen, und trotz des politischen Druckes, der sie auf
den Gedanken der Auswanderung brachte, war ihr Ent
schluß doch ein freiwilliger. Sie bedeuten keine Belastung
für Frankreich, im Gegenteil eine Stärkung seiner Be
völkerung und auch seines Wohlstandes, da sie sich vor
allem aus bemittelten Bürgerkreisen rekrutierten und ihren
gesamten Besitz in ihre neue Heimat mitnehmen konnten.
So sind diese Einwanderungen in Amerika, in das
friderizianische Preußen und in das Frankreich von 1871
eine Stärkung für das Zuzugsland. Vorbedingung für diese
stärkende Wirkung war;
1) Die Aufnahmefähigkeit des Zuzugslandes, d. h.
dessen wirtschaftliche Lage, der unausgenützte Nahrungs
spielraum, ja geradezu der Hunger nach Menschen.
2) Die Einwanderung von Menschen, die von vorn
herein eingestellt waren auf die Arbeitsmöglichkeiten in
dem Aufnahmestaat, und die beseelt waren von starkem
Willen und Unternehmungsgeist, oder 'doch in Verhält
nissen lebten, die ihnen die Neugründung einer Existenz
ermöglichten.
Die Untersuchung, wie es um diese Vorbedingungen
bei der elsaß-lothringischen Einwanderung nach Deutsch
land seit November 1918 bestellt ist, muß unsere nächste
Aufgabe sein.
1) Artikel Alsace-Lorraine in La Grande Encyclopedie.