32
II. HAUPTTEIL.
denn die Arbeit, mit der wir eingeführte Rohstoffe in
fndustrie und Gewerbe in Fertigfabrikate umwandelten,,
war unser wichtigstes Exportgut 1 ). — im Warenverkehr
mit anderen Ländern Güter zur Verbesserung und Ver
feinerung unserer Lebenshaltung, sondern in hohem Maße
auch die zum Leben nötigen Güter, wie Brot und Fleisch.
Unsere Landwirtschaft konnte unser wachsendes Volk nicht
mehr ernähren. Sie war hierzu um so weniger in der Lage,
als die Industrie mit ihren höheren Löhnen, mit ihren
besser geregelten Arbeitsverhältnissen, mit ihrem verführe
rischen städtischen Glanz, die Massen vom Lande in die
Stadt zog. Im Jahre 1870 lebten 26,22 Millionen Ein
wohner auf dem platten Lande, 1910 waren es noch
25,95 Millionen. In der gleichen Zeit nahm aber die Stadt
bevölkerung von 14,79 Millionen auf 39,97 Millionen zu 2 ).
Der Landwirtschaft mangelte es an den nötigen Kräften
zu intensiver Bebauung und Erzielung höherer Erträge,
da aber durch den Export unserer Industrieprodukte die
Lebensmittel zum Teil billiger aus dem Ausland bezogen
werden konnten, als ihre Herstellung im Inland gekostet
hätte, wir mit andern Worten einen geringeren Arbeits
aufwand nötig hatten, wenn wir unser Brot zu einem ge
wissen Teil im Ausland kauften, statt es im Inland selbst
anzubauen, verlief unsere Entwicklung weiter zum In
dustriestaat. Wir waren bald vollkommen auf den Welt
markt angewiesen, um leben zu können. Die Arbeits
teilung mit anderen Völkern wurde eine immer vollkom
menere. Diese Arbeitsteilung hat uns vor dem Kriege
reich und mächtig gemacht. Aber das Gefährliche dieses
weltwirtschaftlichen Zusammenschlusses mit andern Völ
kern lag in der Einfuhr von Rohstoffen und landwirtschaft
lichen Erzeugnissen, ohne die unser Volk in seiner vor-
1) Unsere Ausfuhr betrug im Durchschnitt der Jahre 1911/13
rund 9 Milliarden. Davon entfielen 5,754 Milliarden auf Fabrikate
(Mombert, Bevölkerungspolitik nach dem Kriege, Tübingen 1916).
2) Feig, J., Nachfrage und Angebot auf dem Wohnungsmarkt,
Die Wohnungs- und Siedelungsfrage nach dem Kriege. Hrsg, von
C. J. Fuchs, Stuttgart, Meyer-Ilschen, 1918.