Full text: Die Reichsfinanzgesetzgebung von 1913

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haben, gelingen. Nachdem die Theorie bereits längst und immer 
wieder anerkannt hatte 1 ), daß dem Reich auch der Zugriff zu 
den direkten Reichssteuern unbedingt offen stehe, machte die 
Praxis von dieser Verfügungsfreiheit Gebrauch. Wie das geschah 
und welche Bedeutung dieser Wendung in der Reichsfinanz- 
politik beizumessen ist, das wird im folgenden zu zeigen sein. 
II. 
Bedarfsbereclmuiig und Deckungsvorscliläge. 
Finanzreformen sind seit langem eine ständige Sorge der 
europäischen Großmächte. Die Wurzel dieser Sorge ist der bei 
spiellos wachsende Rüstungsaufwand. Nach Schwarz verausgabten 
für Heer und Flotte einschließlich Pensionen 2 ): 
t 
Deutsch 
land 
England Frankreich Österr.- 
Ungarn 
in Milliarden Mark 
Italien 
Rußland 
1881/1890 
5,6 
5,9 
8,3 
2,7 
3,3 
5,5 
) 
1891/1900 
7,9 
8,3 
8,5 
3,3 
3,2 
8,0 
1901/1910 
11,7 
16,7 
10,1 
4,5 
3,8 
16,8 
Insgesamt 
1881/1910 
25,2 
30,9 
26,9 
10,5 
10,3 
30,3 
Insgesamt gaben 
somit 
die sechs 
Großmächte in 
den an- 
geführten drei Jahrzehnten 31,3, 39,2 und 1901/1910 sogar 63,6 Mil 
liarden M. für Heer und Flotte aus. Es gibt kein Finanzwesen, 
dessen natürliches Einnahmewachstum der gewaltigen Steigerung 
der Rüstungslasten, die das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts 
gegenüber den beiden vorangegangenen Dezennien kennzeichnet, ge 
recht geworden wäre. In allen Großstaaten begegnen uns daher 
seit 1900 auch fortgesetzt größere und kleinere Finanzreform 
versuche. So hat Frankreich nacheinander seine Getränke- und 
Verkehrssteuern, insbesondere die Erbschaftssteuer, in dieser Zeit 
b So jüngst noch Zwiedineck von Südenhorst in der Festschrift der 
Rundschau für den deutschen Juristenstand, 1913, S. 302. In diesem Zu 
sammenhang mag eine „neue Theorie“ erwähnt werden, mit der Freiherr von 
Zedlitz und Neukirch die direkten Steuern für die Einzelstaaten zu retten ver 
sucht. Er schreibt im „Tag“ v. 28. II. 13: „Die direkten Steuern sind zwar 
verfassungsrechtlich kein Reservatrecht der Bundesstaaten, aber es darf als 
stillschweigende Voraussetzung für die Abtretung eines Teils ihrer Souveräni 
tätsrechte an das Reich angesehen werden, daß ihnen die direkten Steuern 
verbleiben“. 
a ) Vergl. „Tag“ vom 12. März 1912.
	        
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