Full text: Der Ansturm gegen den Achtstundentag

— 36 — 
cntwurfes über Tarifverträge voraus. So wie er jetzt ist, 
wird dieser nämlich keineswegs zur Verhütung von Arbeits 
kämpfen führen: er wird unter Umständen diese sogar ver 
anlassen. 
Es ist das große Unglück des deutschen Volkes, daß die 
Spaltung, die seit der Reformation in ihm besteht, sich wie 
auf allen Gebieten des Lebens, so auch auf dem der Arbeiter 
frage geltend macht. Infolge derselben haben wir nicht, wie 
in England, in jedem Gewerbe nur eine, sondern mindestens 
zwei, wo parteipolinsche Gegensätze bestehen, die auf diesem 
Gebiete indes zu überwinden gewesen wären, drei, im Ruhr 
gebiet infolge der großen Anzahl polnischer Arbeiter sogar 
vier Gewerkschaften. Eine Wirkung dieser Mehrzahl ist, daß 
es in den einzelnen Gewerben auch keinen ohne weiteres für 
alle Arbeiter gültigen Tarifvertrag gibt; mit jeder Art von 
Gewerkschaft muß ein besonderer Tarifvertrag geschlossen wer 
den, damit sie ihn anerkenne. Run gibt es im heutigen In 
dustriebetrieb für gleichartige Tätigkeiten keine indivi 
duellen Arbeitsbedingungen mehr. Dies gilt ganz besonders 
für die Regelung der Arbeitszeit, deren Anfang, Pausen und 
Ende. Das ist die Folge der modernen Technik, die ein Zu 
sammenarbeiten und gleichzeitige Benutzung der Arbeits 
mittel voraussetzt. Es gilt aus Konkurrenzrücksichten auch für 
die Lohnregelung in verschiedenen gleichartigen Betrieben. Die 
Arbeitsbedingungen müssen für gleichartige Arbeiter, vor 
allem in denselben Detneben, in der Hauptsache auch in 
gleichartigen Betrieben desselben Industriegebietes einheitliche 
sein. Der Entwurf eines Arbeitstarifgesetzes aber sieht vor, 
daß innerhalb desselben Industriegebiets für dasselbe Ge 
werbe mehrere Tarifverträge abgeschlossen werden können, 
und daß es nach § 21 desselben dem Tarifamt zustehen soll, 
einem dieser Tarifverträge allgemeine Verbindlichkeit zu ver 
leihen. Es ist nicht gesagt, daß dies der Tarifvertrag sein 
muß, dem die Mehrheit der einschlägigen Arbeiter zugestimmt 
hat. Es ist in das Ermessen der Behörde gestellt, den Tarif 
vertrag, den sie für allgemein verbindlich erklären will, zu be 
stimmen; es ist nur der vage Ausdruck gebraucht „Tarifver 
träge, die für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen des Be- 
rufskreifes in dem Tarifgebiete überwiegende Bedeutung er 
langt haben". Das legt alles in das Ermessen der Bureau 
kratie und schließt nicht aus, daß die vorgesetzte Behörde auch 
einen mit der Minderheit der Arbeiter abgeschlossenen Tarif 
vertrag für allgemein verbindlich erklärt, wenn dieser ihr als 
von größerer Bedeutung als der mit der Mehrheit abgeschlossene 
erscheint. Wer die Rivalitäten zwischen den verschiedenen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.