20
gedrungen muß er der wissenschaftlichen Erkenntnis
Verachtung zeigen — das erfordert sein Selbsterhal
tungstrieb. Wir studieren ja gerade deshalb Sozial
wissenschaft, weil wir die Hinfälligkeit jener Phrasen
fühlen. Und dann müssen wir ihr Handwerk, ihre
Technik kennen, denn sie unterscheidet das Resultat
der Wissenschaft von den Schlag Worten des Lebens.
Ich will Einiges darüber sagen, wie man sich
diese Technik aneignen kann. Aber vorher muß
Eines dem Anfänger eingeprägt werden. Das Studium
der Sozialwissenschaften verlangt von uns ein
schweres OpferAn ihrer Schwelle müssen wir ein
Stück unseres Ich zurücklassen, nämlich unsere sozia
len Ideale, unsere Ansichten darüber, was gut und
wünschenswert ist. Keine andere Wissenschaft
fordert dieses Opfer von uns. Unsere Wünsche ver
stummen von selbst vor den Gesetzen der Natur. Ob
wir es wollen oder nicht — der Stein wird stets zur
Erde fallen. In der Sozialwissenschaft scheint die
Sache dem Laien so ganz anders zu liegen. Die
sozialen Verhältnisse — die können wir doch leicht
ändern — nach Belieben gestalten? Da ist es also
gar nicht gleichgültig, ob wir sie billigen oder nicht.
Gewiß nicht. Aber erstens ist es einer der wichtig
sten Erfolge des Studiums, daß man dann die Not
wendigkeiten der sozialen Dinge begreift, daß man
sieht, daß auch auf sozialem Gebiete eine unerbitt
liche Logik herrscht, die man nicht ungestraft igno
rieren kann. Und zweitens muß man erst das „daß“
und „warum“ der Dinge verstehen, ehe man in sie
eingreift. Gerade dieses „daß“ und „warum“ soll uns